Rede von Hubertus Heil zu Wettbewerbsbeschränkungen


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Hubertus Heil, SPD-Fraktion.

Hubertus Heil (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu meiner Freude wurde ein Satz in den bisherigen Reden fraktionsübergreifend fast wortgleich wiederholt. Das GWB ist tatsächlich das Grundgesetz – oder wie einige es nennen: die Magna Charta – der Marktwirtschaft. Ohne das, was sich mit dem GWB seit 1958 im deutschen Kartellrecht entwickelt hat, hätte sich die Absicherung des Wettbewerbs als entscheidendes Ordnungsprinzip unserer sozialen Marktwirtschaft nicht in der Form entwickeln können.

(Beifall bei der SPD)

Mit der siebten GWB-Novelle, die wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, tragen wir auf der einen Seite dieser guten Tradition und auf der anderen Seite den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung. Wir sind uns – auch das freut mich – in vielen Bereichen einig, beispielsweise in Bezug auf die europäische Entwicklung.
Wir werden zukünftig mit dem GWB einen europäischen Rechtsrahmen umsetzen, der sicherstellt, dass bei der Beurteilung von Kartellvereinbarungen Legalausnahmen das bisherige Anzeige- und Genehmigungsverfahren ersetzen. Dieser Systemwechsel bedeutet auf der einen Seite – das geben wir offen zu – eine wesentliche Entlastung der Kartellbehörden von entbehrlichen Routineaufgaben; auf der anderen Seite bietet er Unternehmen die Möglichkeit, Verfahrenskosten zu sparen. Aber wir verschweigen auch nicht, Herr Hinsken, dass es gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen eine Herausforderung darstellt, selber einschätzen zu können, ob ihr Vorgehen rechtskonform ist.
Nichtsdestoweniger stehen die Kartellbehörden auch zukünftig für Auskünfte in diesem Bereich zur Verfügung. Es gibt schließlich Telefon, Herr Hinsken. Insofern ist aus unserer Sicht Ihrem Anliegen Genüge getan. Wir können sicherstellen, dass Unternehmen tatsächlich Rat einholen können.
Wir können aber nicht auf einen Systemwechsel verzichten. Er ist einerseits vernünftig und andererseits im Hinblick auf die Europäische Union geboten. Der Umsetzungsprozess ist mit Chancen und Risiken verbunden. Es wird zwar zweifellos eine Zeit dauern, bis sich alles eingespielt hat, aber wir bekennen uns zu diesem Prozess.
Wenn wir diesen Systemwechsel vornehmen, müssen wir eine wirksame Balance schaffen: zwischen den neuen Freiheiten, die die Unternehmen dadurch gewinnen, und den Möglichkeiten des Kartellamtes, gegen den Missbrauch dieser Freiheiten vorzugehen. Deshalb ist in der neuen Fassung des GWB unter anderem vorgesehen, dass das Kartellamt zur wirksamen Bewahrung des Wettbewerbs effektive und scharfe Schwerter einsetzen darf. Es kommt zum Beispiel zur Übernahme des strengeren europäischen Bußgeldsystems. Hinzu tritt die Regelung der Vorteilsabschöpfung, welche von einigen Verbänden immer wieder kritisiert wird. Sie wissen das; denn manchmal machen sich diese Kritik auch einige Kollegen aus Ihren Reihen zu Eigen.
Ich finde es gut, wenn wir in unseren Wettbewerbsgesetzen – das „Grundgesetz“, das GWB, novellieren wir jetzt; aber es gibt auch noch das UWG, das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, und das Telekommunikationsgesetz – möglichst ähnliche oder sogar gleiche Regelungen abbilden. Das ist zum Beispiel bei der Vorteilsabschöpfung, die im UWG, im TKG und nun auch im GWB einheitlich geregelt ist, der Fall. Das dient der Klarheit und sollte auch für die Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche gelten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte meine Redezeit nutzen, um vor allen Dingen über das heiß umstrittene Thema Pressefusionskontrolle zu sprechen. Herr Schauerte, ich möchte Sie an dieser Stelle direkt ansprechen. In einem Punkt sind wir uns einig: Weil der Pressebereich mit Meinungsvielfalt zu tun hat, muss man für ihn im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen spezielle Regelungen schaffen. Es war richtig, dass diese Regelungen im Jahre 1976 tatsächlich eingeführt wurden.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das schmeißen Sie jetzt über Bord! – Monika Griefahn [SPD]: Das war 1976 eine SPD-Regierung!)

Sie wissen – allerdings haben Sie das in der Debatte verschwiegen –, dass es damals auch andere Vorstellungen über die Ausgestaltung des Presserechts gab. Inzwischen ist seine Verankerung im Kartellrecht eine bewährte Tradition. Aber im Jahre 1976 herrschte auf dem Zeitungsmarkt eine andere Situation. Nun fragen Sie – diese Frage ist auch berechtigt –: Worin besteht der Unterschied zu anderen Branchen?

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es! Ja!)

Schließlich fand auch in anderen Branchen ein Strukturwandel, technischer Fortschritt und Ähnliches statt.
Ich will Ihnen sagen: Diese Frage haben Sie zu Beginn Ihrer Rede selbst beantwortet: Der Pressemarkt ist ein ganz spezieller Markt; denn es geht um Meinungsvielfalt. Unsere Überzeugung ist, dass man Meinungsvielfalt nicht nur proklamieren darf, sondern dass man auch dafür sorgen muss, dass Meinungs- und Zeitungspluralismus in Deutschland eine wirtschaftliche Grundlage haben. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD)

Wie ist denn die Lage, die Sie angeblich – denn auch Sie wissen es besser – nicht zur Kenntnis nehmen wollen? Es gibt im Zeitungsbereich strukturelle Verwerfungen und fortlaufend massive Veränderungen; dies wurde übrigens auch im Rahmen der Anhörung belegt. Wenn Sie uns nicht glauben wollen, sage ich Ihnen: Es gibt auch Gutachten, die dies belegen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die gibt es nicht!)

Lassen Sie mich nur eine Zahl als Beispiel nennen: Im Jahre 1976 finanzierten sich Tageszeitungen grob nach dem Schema: ein Drittel Vertriebserlöse, zwei Drittel Anzeigenerlöse. Inzwischen ist das Verhältnis fifty-fifty. Das hat nicht nur konjunkturelle Gründe. Ich gebe zu: In den letzten drei Jahren waren die Probleme, mit denen die Zeitungen zu tun hatten, vor allem konjunktureller Natur; diese Situation verbessert sich allerdings wieder.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ja, wenn wir dran sind!)

Aber die strukturellen Veränderungen, die Frau Griefahn vorhin angedeutet hat, möchte ich noch etwas ausmalen. Wenn man über die Konkurrenz im Anzeigenbereich spricht, muss man berücksichtigen, dass es die heutigen elektronischen Medien im Jahre 1976 noch nicht gab. Weder gab es ein Privatfernsehen noch SMS noch Internet.
Schauen Sie sich nur einmal an, in welchem Umfang die Anzeigen in den Rubriken Automobile und Immobilien von den Tageszeitungen ins Internet migriert sind; denn die dortigen Anwendungen und technischen Möglichkeiten sind für die Nutzer viel interessanter als das, was die Tageszeitungen zu leisten vermögen. Daneben ist bei denen, die Werbung schalten, ein tief greifender Konzentrationsprozess zu beobachten. Schauen Sie sich nur den Lebensmittelbereich an: Lidl, Aldi und viele andere führen umfangreiche Reihen- und Kettenschaltungen durch. Es besteht bei Anzeigen also auf der Nachfrageseite eine unheimliche Marktmacht.
Es gibt also, was die wirtschaftlichen Grundlagen von Zeitungen betrifft, Veränderungen; das kann man nicht leugnen. Wenn Sie mir nicht glauben, dann schauen Sie sich in den Redaktionen um. Reden Sie mit Redakteuren, deren Redaktionen massiv zusammengekürzt wurden.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Diesen Vorgang werden Sie beschleunigen!)

Reden Sie auch einmal mit Menschen, die als freie Mitarbeiter und Journalisten arbeiten und in einer wirklich schwierigen Situation sind, und nicht nur mit irgendwelchen Verbandsvertretern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Dann müssen Sie ja erst recht unserer Meinung folgen!)

Sie sollten wirklich einmal eine solche Redaktion besuchen. Dann würden Sie feststellen, dass Rationalisierung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zwar etwas Vernünftiges ist. Wenn Rationalisierungsdruck aber dazu führt, dass die Zeitungen vor allen Dingen im redaktionellen Bereich zusammenschrumpfen, dann ist das ein Problem für die Meinungsvielfalt; das will ich Ihnen sagen. Wenn die Zeitungsvielfalt darin besteht, dass in den Redaktionen nur noch Agenturmeldungen zusammengestückelt werden, dann ist das nicht der Meinungspluralismus, den wir wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Genau gegenteilig ist das!)

Deshalb haben wir eine andere Regelung vorgeschlagen.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?

Hubertus Heil (SPD):
Gerne, Herr Schauerte.

Hartmut Schauerte (CDU/CSU):
Ich komme aus einem Kreis, in dem sich die Eigentümer der „WAZ“, der damaligen „Westfalenpost“ und der „Westfälischen Rundschau“ zusammengeschlossen haben, aber die Redaktionen selbstständig blieben. In diesem Kreis gibt es nur diese Zeitungen. Die Lokalredaktionen sind personell so mager besetzt, dass man sie kaum noch findet. Denn dem Eigentümer ist es egal, welche Zeitung ein Abonnent bestellt; alle gehören ja ihm. In dem Nachbarkreis, der auch zu meinem Wahlkreis gehört, Lüdenscheid, gibt es eigentümergeführte, mittelständische Zeitungen, etwa die „Lüdenscheider Nachrichten“ der Ippen-Gruppe. Die Lokalredaktionen sind personell um ein Vielfaches stärker besetzt; das ist auf den Wettbewerb zurückzuführen. Der Umfang dieser Zeitungen beträgt das Dreifache der Zeitungen im anderen Kreis; das dient auch der Meinungsvielfalt. Das ist ein praktisches Beispiel dafür, wie Zusammenarbeit aussehen kann.
Ich frage Sie: Glauben Sie ernsthaft, dass Sie mit Ihrer Konzentrationsbeschleunigung, die Sie mit diesem Gesetz möglich machen, tatsächlich Arbeitsplätze für Journalisten retten? Sie werden sich wundern.

Hubertus Heil (SPD):
Ich antworte Ihnen am besten mit einem Beispiel aus meinem Wahlkreis, Gifhorn–Peine. Er liegt in Niedersachsen. Ich habe das Glück, dass es in meinem Wahlkreis fünf verschiedene Tageszeitungen gibt, die zwei oder drei Verlegern gehören.

(Rainer Brüderle [FDP]: Wo gibt es das denn? Das gibt es doch nur ganz wenig!)

– Das gibt es in meinem Wahlkreis. Ich lade Sie ganz herzlich ein. Es gibt zwar nicht so wunderbaren Wein wie bei Ihnen, aber es gibt fünf Tageszeitungen.

(Rainer Brüderle [FDP]: Ich bringe Ihnen eine Flasche mit!)

In meinem Wahlkreis, ganz im Norden, gibt es ein sehr kleines Blatt, das „Isenhagener Kreisblatt“. Der Verleger möchte diese Zeitung gern weiterführen. Bei einer Auflage von sage und schreibe 5 000 Exemplaren – die Zeitung ist ganz klein; ich freue mich darüber, dass es das Blatt gibt – hat der Verleger allerdings kaum noch die Möglichkeit, gerade bei größeren Unternehmen Anzeigen in nennenswertem Umfang für diese Zeitung einzuwerben. Warum sollten wir es diesem Unternehmen verweigern, mit einem benachbarten größeren Unternehmen eine Anzeigenkooperation einzugehen?

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das gibt es ja schon!)

– Anzeigenkooperation gibt es schon. Aber wir wollen sie gerade auch mit Blick auf die strukturelle Veränderung erleichtern.
Von daher glaube ich, dass wir ein gutes Modell gefunden haben, für den Bereich der Anzeigen, des Vertriebs und des Drucks gesellschaftsrechtlich oder auch vertraglich Kooperationen zu ermöglichen, unter der Voraussetzung, dass bestimmte Kriterien erfüllt sind. Ich will Ihnen das gern erklären.
Im Gesetzentwurf ist keine Zusammenlegung von Redaktionen vorgesehen. Ebenfalls sind keine Fusionen vorgesehen. Vielmehr wollen wir auf den von mir genannten Feldern Kooperationen in der Reichweite, die ich eben beschrieben habe, ermöglichen. Das ist allerdings keine Garantie dafür, dass es Freiräume für redaktionelle Arbeit gibt; das will ich Ihnen gern einräumen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist die falsche Medizin!)

Aber es bietet die Chance, Meinungsvielfalt zu erhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Was wäre denn Ihre Alternative etwa für das „Isenhagener Kreisblatt“? Wir wollen jedenfalls nicht zuschauen, wie es zusammenbricht.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch einige Punkte nennen. Wir haben Kriterien aufgestellt, weil wir, Herr Schauerte, nicht wollen, dass diese Regelungen missbraucht werden. Diese Kriterien sind vorhin genannt worden. Zum einen muss es der Wettbewerbsfähigkeit dienen; zum zweiten muss durch die Kooperation eine der beteiligten Zeitungen langfristig gesichert werden und zum dritten ist eine Begrenzung auf fünf Zeitungen vorgesehen. Herr Kollege Schauerte, zum fünften Male: Es geht um Zeitungen und nicht um Verlage.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und Verlagshäuser!)

– Nein, es geht um Zeitungen und nicht um Verlage.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und Verlagshäuser!)

Im Gesetzentwurf ist von an der Kooperation beteiligten Zeitungen die Rede. Lesen Sie bitte den Gesetzestext! Das hilft.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und davor stehen die Verlagshäuser!)

Ich will Ihnen klar sagen, dass ich mir in diesem Bereich mehr vorstellen könnte. Da bin ich übrigens in guter Gesellschaft mit Ihrem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Herrn Pofalla, den ich heute sehr vermisse. Herr Hinsken, warum schweigen Sie eigentlich dazu, dass Herr Pofalla Vorschläge gemacht hat, die weit über das hinausgegangen sind, was Herr Clement und wir vorgeschlagen haben?

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Weil wir die Vorschläge zurückgezogen haben!)

Warum verschweigen Sie das heute und tun so, als würden wir uns in diesem Bereich zu schaffen machen?

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

(Birgit Homburger [FDP]: Nein, Herr Tauss!)

Hubertus Heil (SPD):
Ja, gern.

Jörg Tauss (SPD):
Danke schön. – Lieber Kollege Heil, nachdem Sie gerade das Wort „Missbrauch“ in den Mund genommen haben und Herr Kollege Schauerte die heutige Debatte dazu missbraucht hat, die Sachfragen mit vermeintlichen Einflussnahmen der SPD auf Redaktionen, die redaktionelle Unabhängigkeit und auf Verlage zu verbinden, möchte ich Sie fragen: Könnten Sie mir in diesem Zusammenhang freundlicherweise nochmals die historischen Zusammenhänge aufzeigen,

(Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die letzten 60 Jahre, bitte schön!)

die dazu geführt haben, dass eine Gesellschaft, an der die SPD beteiligt ist, nach Überwindung der Diktaturen, des Nazi-Reichs und der SED-Diktatur die Rückgabe von Verlagen erreichen konnte, weil es sich dabei um zu Unrecht enteignetes Eigentum gehandelt hat? Und wie bewerten Sie die Versuche der CDU, das heute wieder rückgängig zu machen?

Hubertus Heil (SPD):
Herr Kollege Tauss, ich will Ihnen antworten, verweise aber auf die Auseinandersetzung, die wir hier vor einem Jahr schon zu diesem Thema hatten.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Es gibt ein schönes Buch dazu!)

Ich finde es bedauerlich, dass Sie, Herr Schauerte, in Ihrer Rede ständig mit Unterstellungen gearbeitet haben – das tun wir nicht. Wir sind in der Sache an der einen oder anderen Stelle über die Wirkung unterschiedlicher Auffassung – das gehört zum Meinungsstreit in der Demokratie –, aber dass Sie uns sozusagen verschwörungstheoretisch Eigeninteresse unterstellen, ist nicht nur falsch, es ist schäbig, erst recht in dem Ton, in dem Sie es getan haben; das will ich Ihnen klar sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Tauss hat vorhin deutlich gemacht: Die Zeitungsbeteiligungen, die Parteien haben, sind nichts Ehrenrühriges, weil sie keinen redaktionellen Einfluss nehmen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wie bitte?)

– Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Was ist mit der „Frankfurter Rundschau“?)

Lesen Sie einmal ein paar Zeitungen, an denen die DDVG beteiligt ist. Ich sage Ihnen: Ich ärgere mich manchmal schwarz über das, was ich lese.

(Monika Griefahn [SPD]: Wohl wahr!)

Reden Sie beispielsweise mit Herrn Wulff darüber, ob er sich über die Berichterstattung der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ beschweren kann – er wird es schwerlich können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Eine Zeitung, die der SPD gehört, ist nicht unabhängig! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Was drauf steht, muss auch drin sein!)

Gerade Sie von der CDU sollten in der Frage, wie Sie Ihre Partei finanzieren, einmal ganz ruhig sein!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Heil, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?

Hubertus Heil (SPD):
Gerne, ich habe heute noch jede Menge Zeit; ich muss bloß noch zum Unterbezirksparteitag meiner Partei in Peine.

Ernst Hinsken (CDU/CSU):
Herr Kollege Heil, ich befürchte, dass Sie das, was Sie vorhin angekündigt haben, nicht wahr machen, nämlich uns darüber aufzuklären, was es mit der Zahl fünf auf sich hat, dass nach fünf Jahren überprüft werden soll.

(Jörg Tauss [SPD]: Nicht nach fünf Jahren, innerhalb von fünf Jahren!)

Hubertus Heil (SPD):
Doch, das will ich.

Ernst Hinsken (CDU/CSU):
Wenn sich vier Starke mit einem Fünften, Schwachen, zusammensetzen, zusammenschließen, kommt auch die Zahl fünf zustande. Haben Sie sich darüber hinaus vielleicht von dem Gedanken leiten lassen, dass Sie fünf Zeitungsverlage in Ihrem eigenen Bereich haben? Ich kann das nicht nachvollziehen.

Hubertus Heil (SPD):
Gut, dass Sie nachfragen; dann kann ich Ihnen antworten.

Ernst Hinsken (CDU/CSU):
Sie sind diesen Fragen schon im Wirtschaftsausschuss ausgewichen. Dann sagen Sie wenigstens heute etwas dazu!

(Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist hoffnungslos!)

Hubertus Heil (SPD):
Das mache ich sehr gerne, Herr Kollege, wenn es zur Weiterbildung dient. Sie bringen ein paar Dinge durcheinander. Ich will das aber gerne mit Ihnen aufrollen, wenn wir die Zeit dazu haben.
Erstens. Wir haben im Entwurf eine Begrenzung auf fünf Zeitungstitel vorgenommen. Ich gebe wie der Kollege Schulz zu: Es hätten auch sechs oder sieben oder acht sein können. Aber fünf war die Begrenzung, die wir mit den Grünen ausgehandelt haben. Ihr Kollege Pofalla wollte gar keine Begrenzung. So weit dürften wir uns einig sein.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das tut nichts zur Sache!)

Zweitens. Sie haben nach den fünf Jahren gefragt, nach der zeitlichen Begrenzung, und danach, ob man einen solchen Zusammenschluss auch wieder rückabwickeln kann.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ja!)

Ich will Ihnen dazu sagen: Wir wollen, dass Kooperationen möglich sind. Natürlich geht keiner eine Kooperation und damit ein wirtschaftliches Risiko ein, wenn das Rad nach fünf Jahren zurückgedreht wird. Sie können eben – mit Ludwig Stiegler gesprochen – aus einem Omelett kein Ei mehr machen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Deshalb haben wir dem Kartellamt mit der Ex-ante-Prüfung klare rechtsstaatliche Kriterien und genug Möglichkeiten an die Hand gegeben, um Missbrauch möglichst einzugrenzen. Nach fünf Jahren wollen wir sehen, was diese Regelung für die Branche bedeutet. Wir können sie verlängern, wenn sie sich bewährt hat. Aber zuvor müssen wir das überprüfen.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wir können es nicht!)

Herr Hinsken, wir beide können doch nicht in die Zukunft schauen, auch wenn ich das uns beiden wünschen würde; wir sind beide nette Kerle. Aber wir haben unterschiedliche Auffassungen über die Vergangenheit und die Gegenwart. Das ist der Unterschied zwischen uns: Sie sagen: „Es gibt keine strukturelle Krise auf dem Zeitungsmarkt.“

(Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU] nimmt wieder Platz)

Sehen Sie das so, Herr Hinsken? Dann bleiben Sie stehen;

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Nein! – Ludwig Stiegler [SPD]: Bleib stehen!)

ich bin mit meiner Antwort noch nicht zu Ende. Fragen stellen und dann keine Antwort erwarten – so geht es nicht; das sind rhetorische Fragen, aber keine Zwischenfragen im Deutschen Bundestag!

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie können noch eine halbe Stunde darüber reden!)

– Wenn Sie es nicht verstehen wollen, muss ich länger reden; das tut mir leid.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wenn Sie ankündigen, Sie sprechen darüber, dann aber nichts sagen!)

Dann will ich Ihnen zum Schluss gerne eins sagen: Auch ich hätte mir gewünscht, dass wir das miteinander im ruhigen Gespräch hätten klären können;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ich sage Ihnen das ganz offen. Nur, diese Debatte hier und auch im Wirtschaftsausschuss und die Presseäußerungen, die Sie gleich, nachdem wir uns in der Koalition verständigt hatten, abgegeben haben, haben uns zu der Auffassung gebracht, dass es sinnvoller ist, mit vernünftigen Landeswirtschaftsministern Ihrer Partei zu reden

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

als mit ideologischen Menschen, die nur ein Ziel haben: uns die übelsten Motive zu unterstellen. Das tue ich bei Ihnen auch nicht: Ich unterstelle, dass Sie politisch falsch liegen. Sie wiederum sagen, ich liege falsch. Aber Sie unterstellen uns dabei, dass wir das aus niederen Beweggründen tun. Das finde ich nicht gut.

(Jörg Tauss [SPD]: Unglaublich! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Aus nicht nachvollziehbaren Gründen!)

Wissen Sie, Herr Hinsken – ich sage Ihnen das in aller Ruhe; Sie sind doch freundlicher als Herr Schauerte, der ständig etwas andeutet –: Es nützt letztlich keinem, wenn wir uns gegenseitig in jeder politischen Auseinandersetzung skandalisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer ständig „Skandal“ ruft,

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Das ist ein Skandal!)

muss sich nicht wundern, dass die wirklichen Skandale in Deutschland nicht mehr auffallen. Das ist kein Skandal, sondern eine unterschiedliche politische Bewertung.

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Doch, ein riesiger Skandal!)

– Ach, ja, Sie sind für Ihre sachlichen Einschätzungen von politischen Situationen ja allgemein bekannt, Herr Kollege.
Ich will Ihnen nur sagen: Mit der heutigen GWB-Novelle schaffen wir das Grundgesetz der Marktwirtschaft der Zukunft. Es gibt veränderte Rahmenbedingungen. Der Pressebereich ist sehr sensibel. Dort bleibt es bei Spezialregelungen. Bezogen auf die Aufgreifschwelle und die Bagatellklausel haben wir behutsame Änderungen vorgenommen, womit wir die entsprechenden Regelungen übrigens an die anderer Branchen angepasst haben. Ich finde, auch bei den Kooperationen sind wir einen guten und vernünftigen Schritt weitergekommen.
Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Beratungen hier im Bundestag sachlich hätten abschließen können und dass wir kein Vermittlungsverfahren brauchen würden.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das kommt erst noch!)

Ich sage: Das ist an Ihnen gescheitert. Es wird zum Vermittlungsverfahren kommen. Herr Hinsken, ich bin sehr gespannt, wie sich die Landeswirtschaftsminister in dieser Frage verhalten werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Brüderle, der sonst immer kritisiert, dass zum Beispiel Minister nicht anwesend sind – –

(Jörg Tauss [SPD]: Wo ist er denn? – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Er hat sich verabschiedet! – Birgit Homburger [FDP]: Dass er nicht mehr da ist, wurde abgesprochen!)

– Okay, dann habe ich das nicht mitbekommen und ich entschuldige mich. Wir sollten die Aufgeregtheiten aber auch dann lassen, wenn Staatssekretäre weg müssen. Das war bei diesem Punkt nämlich auch abgesprochen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Hinsken, das haben Sie vorhin nur nicht mitbekommen; so, wie ich eben.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Moment einmal, die haben doch fünf von der Sorte in einem Ministerium!)

Ich will nur sagen, dass wir eine vernünftige Regelung getroffen haben, mit der viele leben können.
Es gibt Verleger, die sich mehr gewünscht hätten. Herr Schauerte hat Recht, wenn er sagt, dass es in der Natur von Unternehmen liegt, dass sie das Kartellrecht nicht sonderlich originell finden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Redezeit!)

– Ich habe noch zehn Sekunden. – Wir als Politiker müssen das Kreuz durchdrücken, damit wir dort vernünftige Spielregeln haben. Manchen Verlegern geht das nicht weit genug, anderen geht das zu weit. Das heißt, wir sind mit diesem Gesetzentwurf in der guten Mitte. Sie werden sehen, dass wir uns durchsetzen werden.
Herzlichen Dank und schönes Wochenende.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Das nächste Mal redet bei der CDU/CSU der Pofalla!)