Zwischen Sportunterricht und Schulgottesdienst: FSJler Tom Schiefer aus Vechelde in Namibia

Tom Schiefer kommt aus Vechelde in meinem Wahlkreis. Als engagierter Schüler des Wilhelm-Gymnasiums Braunschweig hatte er sich 2020 erfolgreich auf das Stipendium des Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP) des Deutschen Bundestages beworben und sollte ein Austauschjahr in den USA verbringen. Dann kam Corona dazwischen und Tom durfte nicht ausreisen. Ich bin froh, dass er seine Auslandserfahrung nun in einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in Namibia nachholt. Im folgenden Bericht gibt er Einblicke in seine Arbeit vor Ort

Montag 10.30 Uhr: Die ersten Kinder kommen von der Teabreak zurück und klopfen an die Tür von meinem Sportraum. Das wöchentliche Assembly und drei Stunden Sportunterricht sind bereits erledigt. Vor mir liegt noch eine weitere Sportstunde mit der 6. Klasse der Hörbehinderten. Dann geht es für mich ab nach Hause, etwas zu Mittag essen, bevor ich elf unserer blinden SchülerInnen Schwimmunterricht gebe. Anschließend folgt Basketballtraining, heute für die älteren hörbehinderten Jungs.

So sieht ein regulärer Arbeitstag für mich aus. Ich heiße Tom Schiefer, bin 19 Jahre alt und absolviere aktuell mein Freiwilliges Soziales Jahr in Namibia. Das FSJ wird durch weltwärts, ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), gefördert. Weltwärts übernimmt 75% der Finanzierung des Jahres. Der Rest wird durch selbst eingeworbene Spenden gedeckt. Ich bin über den Projektträger ASC Göttingen 1846 e.V. in Namibia und arbeite für eines ihrer Projekte. Ausgereist bin ich am 30.08.2023 für ein volles Freiwilligenjahr im Ausland, nachdem ich im gleichen Sommer mein Abitur absolviert habe. Perspektivisch strebe ich danach an, zum Wintersemester 2024/25 Medizin zu studieren.

 

 

Meine Einsatzstelle ist die Eluwa Resource School im Norden von Namibia. Hier unterstütze ich als Freiwilliger den Sportunterricht und biete verschiedene Nachmittagsprojekte an. Die Eluwa ist ein Internat und Special School, also ausschließlich für Kinder mit einer Behinderung. Die Eluwa umfasst drei Sections: die hörbeeinträchtigten (hearing impaired = HI), die sehbeeinträchtigten (visually impaired = VI) und die geistig beeinträchtigten Kinder (intelectually impaired = II).

Zusammen mit meiner Projektpartnerin Henrike bieten wir nachmittags 6 verschiedene Projekte an. Dazu zählen Fußball, Basketball und Netball für die Jungs und Mädchen der HI Section, Goalball für die VI Section, Spielenachmittag für die II Section und Schwimmen für die HI und die VI Section. Der Samstag beinhaltet ebenfalls einen wichtigen Teil unseres Projektes. Jeden Samstag holen wir ein paar der älteren Kinder um 5:45 von der Schule ab, um dann einen 5km-Lauf zu absolvieren. Das ist Teil des sogenannten „Run a long“, einem Laufevent, welches sich als Ziel gesetzt hat, durch Sport die Kinder von der Straße zu holen, indem es ihnen Perspektiven aufzeigt. Zum Run a long gehört außerdem immer ein Vortrag über Themen, wie AIDS oder Häusliche Gewalt. Zudem gibt es nach dem Lauf immer noch eine Erfrischung und einen kleinen Snack. Danach geht es für uns und unsere Kinder zurück zur Schule. Abends kommen wir noch einmal wieder und ich spiele meist Fußball mit den Jungs.

 

 

Der Überschuss an gesammelten Spenden bietet uns außerdem viel kreativen Spielraum, den wir bereits nutzen konnten. So konnten wir der Schule letztes Jahr im Dezember durch die eingeworbenen Spenden ein Basketballfeld bauen.

Als ich vor mittlerweile anderthalb Jahren die Entscheidung traf, ein FSJ im Ausland zu machen wusste ich nicht, dass es mich so sehr erfüllen wird. Jeden Tag direkt mit den Kindern Kontakt zu haben macht mir unfassbar viel Spaß. Einerseits bin ich stets bemüht, dass meine Kinder von mir lernen und beispielsweise besseren Fußball spielen. Andererseits genieße ich es extrem von den Kindern zu lernen. Dazu gehören nicht nur die Dinge, die mir meine Kinder beigebracht haben, wie beispielsweise die namibische Zeichensprache, sondern viel mehr die Werte und die Lebensweise der Kinder. Ich habe gelernt mit sehr viel weniger zufrieden zu sein, weniger zu brauchen und mit den Kindern alles zu teilen. Ich konnte selber erfahren, dass es sehr ärgerlich ist, weder Strom noch Internet zu haben. Sehr viel ärgerlicher und einschränkender ist es aber nicht duschen zu können, sich zu fragen, wann das Wasser wieder aus den Leitungen fließt oder mit zu wenig Essen unterwegs zu sein und ein oder zwei Tage von extrem wenig zu leben.

 

 

Alles in allem bin ich jetzt nach knapp sieben Monaten schon unfassbar dankbar für alle Erfahrungen, die ich sammeln konnte, alle Menschen und Kulturen, die ich kennenlernen durfte und für „meine Kinder“ die mir meinen Job in der Regel nicht allzu schwer machen.

Tom Schiefer, Ongwediva in Namibia, März 2024
Instagram: tom_in_namibia