Rede von Hubertus Heil zum Erneuerbare-Energien-Gesetz

Hubertus Heil (Peine) (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, dass es nicht ganz leicht fällt, an diesem Tag zur Tagesordnung überzugehen, die wir heu­te im Plenum haben. Ich persönlich fühle mich Großbri­tannien von Kindesbeinen an sehr verbunden. Wir alle haben nicht vergessen, dass dieses Land auch von briti­schen Soldaten vom Nationalsozialismus befreit wurde.

(Beifall der AbgDr. Eva Högl [SPD])

Diese Entscheidung darf und wird nicht das Ende von Europa sein. Mir ist wichtig, das deutlich zu machen. Das heißt auch, dass wir in dieser Situation nicht in Angststar­re verfallen dürfen, sondern dafür sorgen müssen, dass wir unsere Arbeit weitermachen. Deshalb ist es dann doch folgerichtig, dass wir die Dinge, die wir heute im Bundestag zu beraten haben, abschließen. Das betrifft auch das zentrale Projekt der Energiewende, meine Da­men und Herren.

Ich sage vorweg: Wir wollen und wir werden die Energiewende in Deutschland zum Erfolg führen. Oder besser: Sie ist schon heute ein Erfolg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben in den letzten Jahren mit zwei zentralen ge­sellschaftlichen Entscheidungen die Energiewende ein­geleitet: mit dem Ausstieg aus der Kernenergie, der nicht erst nach Fukushima begann, sondern 1998/2000 ver­einbart wurde, kurzzeitig unterbrochen war, und mit der Entscheidung, sich in einer industrialisierten Gesellschaft sehr ehrgeizige Klimaschutzziele zu stecken. Wir haben mittlerweile einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion in Deutschland von 33 Prozent. Das ist eine lange Strecke, eine lange Lernkurve. Ich will da­ran erinnern, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das wir heute anfangen, grundlegend zu reformieren, einge­führt wurde zur Markteinführung erneuerbarer Energien. Aber bei 33 Prozent Marktanteil kann man nicht mehr von Markteinführung reden. Vielmehr werden die Er­neuerbaren jetzt Stück für Stück zur tragenden Säule der Energieproduktion in Deutschland.

Deshalb müssen wir mit diesem Gesetz zwei Dinge auf den Weg bringen. Zum einen gilt es, mit einem neuen System dafür zu sorgen, dass wir von einer Preissteue­rung zu einer Mengensteuerung kommen, das heißt, dass wir über das marktwirtschaftliche Instrument der Aus­schreibung für mehr Kosteneffizienz beim Ausbau auf der nächsten Strecke bis 2025 sorgen; denn es geht jetzt von 33 Prozent Anteil der Erneuerbaren an der Strom­produktion in Deutschland in Richtung 45 Prozent in den nächsten Jahren. Zum anderen müssen wir dafür sorgen, dass das systemintegriert geschieht, das heißt, dass der Ausbau der Netze mit dem Ausbau der Erneuerbaren Schritt halten kann. Dafür sorgt dieses Gesetz, meine Da­men und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben nach wie vor – ich sage das auch den Kol­legen der Grünen, weil ich mir lebhaft vorstellen kann, dass die Reden, die sie schon 2014 zum Gesetz gehalten haben, jetzt wieder aufgetischt werden –

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Nein, Hubertus, du hältst die gleiche Rede wie 2014!)

sehr ambitionierte Ausbauziele beim Ausbau der erneu­erbaren Energien. Wie gesagt: Das Ziel ist 45 Prozent im Jahr 2025.

Aber mit dem Paradigmenwechsel, den wir jetzt voll­ziehen, von festen Einspeisevergütungen für den Ausbau hin zu Ausschreibungen, bei denen das kosteneffizientes­te Angebot zum Zuge kommen kann, sorgen wir dafür, dass die Korridore auch eingehalten werden, die wir uns vorgenommen haben. Damit die Systemintegration statt­finden kann, weisen wir den richtigen Weg.

Ich bin dankbar und froh, dass es gelungen ist, den Bundesminister Sigmar Gabriel 2014 und jetzt erst recht dafür zu gewinnen, mit diesem Gesetz dafür zu sorgen, dass wir nicht mehr 16 verschiedene Energiewenden in Deutschland haben. Es ist in intensiven Verhandlungen gelungen, zu einer Verständigung mit allen Regierungs­chefs der Länder auf das Grundgerüst dieser EEG-Reform zu kommen. Aus den Ländern waren Regierungschefs der SPD, der CDU, einer von der CSU – sehr bekannt –, einer von den Grünen und einer von der Linkspartei da­bei. Deshalb sage ich der Opposition: Tun Sie uns den Gefallen und versuchen Sie, im Bundestag nicht weniger Klugheit an den Tag zu legen, als Ihre Kollegen es aus den Ländern getan haben, die diesen Weg mitgehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben jetzt ein ambitioniertes parlamentarisches Verfahren vor uns. Für meine Fraktion, für die SPD-Bun­destagsfraktion, will ich sagen, dass es neben vielen Details zumindest drei größere Themen gibt, die wir im parlamentarischen Verfahren mit dem Koalitionspartner, mit der Opposition, mit Experten in der Anhörung dis­kutieren wollen, ob es noch zu Änderungen am Entwurf kommt. Es gilt das Struck’sche Gesetz: Keine Regie­rungsvorlage verlässt das Parlament so, wie sie einge­bracht wurde. – Wir sind selbstbewusste Parlamentarier. Wir tragen als Fraktion die Grundlinie mit. Aber es gibt drei Dinge, über die wir reden wollen:

Erstens die Frage, wie wir es hinbekommen, in die­sem System die Akteursvielfalt zu erhalten. Das Thema Bürgerenergie ist uns sehr wichtig. Da hat das Bundes­wirtschaftsministerium einen Vorschlag entwickelt, der in die richtige Richtung geht, damit auch Bürgerenergie zum Zuge kommt. Wir wollen darüber reden, ob wir wei­tere Maßnahmen ergreifen können, um die Hürden bei der Teilnahme an den Ausschreibungen abzusenken. Da geht es nicht um eine Regelung, die die Ausschreibung aushöhlt – da sollte sich keiner Illusionen machen –, son­dern um eine Regelung, die faire Chancen zur Teilnahme an der Ausschreibung schafft.

Zweitens. Wir wollen darüber reden, ob im Übergang zu den Ausschreibungen die sogenannte Einmaldegressi­on im Jahre 2017, die vorgesehen und vernünftig ist, ein Stück weit gestreckt werden kann, damit wir dann keinen Stop-and-go-Effekt haben. Das werden wir in der Anhö­rung diskutieren und entsprechend behandeln.

Drittens. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir noch einmal über das Thema der zuschaltbaren Lasten reden müssen, nämlich über die Frage, ob das, was an überschüssigem Strom da ist, volkswirtschaftlich sinn­voller verwendet werden kann. Dazu gibt es einen Vor­schlag: Wir wollen untersuchen, ob wir in diesem Be­reich – im Sinne einer Speicherung des überschüssigen Stroms – einen Schritt weiter gehen und zumindest eine Experimentierklausel in das Gesetz aufnehmen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es eingangs gesagt: Wir wollen und wir werden mit die­sem Gesetz die Energiewende zum Erfolg führen. Dies ist eine energieintensive Woche: Wir haben hier gestern das Strommarktgesetz und das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende in zweiter und dritter Lesung beraten und dann beschlossen, jedenfalls viele Kollegen, die im Saal waren. Heute wurde hier im Bundestag das Thema Gasförderung mithilfe von Fracking diskutiert und das Verbot von unkonventionellem Fracking beschlossen. Wir werden versuchen, in zügigen, aber grundlegenden Beratungen dafür zu sorgen, dass dieses Gesetz noch vor der Sommerpause über die parlamentarischen Hürden kommt. Wer sagt, das wäre Durchpeitschen, sagt nicht die Wahrheit. Die Themen sind lange bekannt. Es ist Zeit zu handeln, und das werden wir tun.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.