Rede von Hubertus Heil zum Haushaltsjahr 2016, Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Zweite Lesung


Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Hubertus Heil das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn noch einer sagt, man habe die Kontrolle verloren, dann flippe ich aus!)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Normalerweise ist es in diesem Haus immer so, dass in Haushaltsberatungen abwechselnd Vertreter der Re­gierungsfraktionen und der Oppositionsfraktionen spre­chen. Heute ist das einmal anders.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das war doch so! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gerade wichtig!)

Als ich die Rednerliste gesehen habe, dachte ich, ich spreche nach einem Kollegen einer Regierungsfraktion, nämlich nach Herrn Mattfeldt von der CDU/CSU-Bun­destagsfraktion.Mit Verlaub, Herr Mattfeldt, Teile Ihrer Rede waren eher eine Oppositionsrede.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das war doch Opposition! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: War doch eine Oppositionsrede! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht unserer Opposition!)

Das sollten Sie mit Ihrer Parteivorsitzenden besprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg.Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Mattfeldt, ich meine das ganz ernst. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. Viele Menschen machen sich Sorgen. Die wahnsinnigen Anschläge in Pa­ris, in Bamako, in Beirut und an vielen anderen Orten der Welt haben Furcht, haben Entsetzen verbreitet. Wir haben heftige internationale Konflikte, ja, und – Sie ha­ben es erwähnt – wir haben in Europa, vor allen Dingen in Deutschland, eine riesige Fluchtbewegung zu bewälti­gen. An dieser Stelle ist es wichtig, sich nicht klein-klein mit Stimmungen auseinanderzusetzen, sondern Verant­wortung zu übernehmen. Ohne Zweifel, wir müssen die Flüchtlingsbewegung in den Griff bekommen und staat­liche Handlungsfähigkeit zeigen. Als Abgeordneter einer Regierungsfraktion darf man aber nicht staatlichen Kontrollverlust bejammern, sondern man muss seinen Bei­trag dafür leisten, dass wir staatliche Kontrolle bekom­men, Herr Mattfeldt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

In einem sind wir uns dann wieder einig – da sind wir doch Regierungspartner –: Wir müssen mit Realismus diese Herausforderungen angehen; wir können es aber auch mit Zuversicht tun; denn die ökonomische Stärke unseres Landes versetzt uns in die Lage, auch mensch­liche Stärke zu zeigen. Die ökonomische Stärke unseres Landes verleiht uns politisches Gewicht in Europa und in der Welt und überträgt uns die politische Verantwortung, zu handeln.

Wir reden ja über den Haushalt des Bundeswirt­schaftsministeriums. Stellen Sie sich einmal vor, wir wären in einer anderen ökonomischen Lage mit diesen Herausforderungen konfrontiert. Mir wäre dann wirklich angst und bange. Aber wir haben ökonomische Stärke, und diese ist an Kennziffern festzumachen: die nied­rigste Arbeitslosigkeit seit der deutschen Einheit, ein Wirtschaftswachstum – bei allen weltwirtschaftlichen Erschütterungen – von immerhin 1,7 Prozent in diesem Jahr und ein prognostiziertes Wachstum von 1,6 Prozent im nächsten Jahr, also ein robustes Wirtschaftswachstum, und ein Geschäftsklima in der deutschen Wirtschaft nach dem ifo-Geschäftsklimaindex, das zeigt, dass die deut­schen Unternehmen trotz all dieser Herausforderungen zuversichtlich in die Zukunft schauen. Das, meine Da­men und Herren, verleiht uns die Stärke, die zugegebe­nermaßen großen Herausforderungen zu bewältigen.

Herr Mattfeldt, Sie haben erwähnt, wie lange Sie po­litisch tätig sind. Auch ich bin seit 1998 Mitglied dieses Hauses, seit 17 Jahren. Wir haben viele Krisen erlebt und viele schwierige Zeiten zu bewältigen gehabt. Ich kann mich an den Kosovo-Krieg erinnern, an 9/11, an innen­politische Auseinandersetzungen um die Agenda 2010, an Bankenkrisen, an vieles andere mehr. Ich gebe zu, die Herausforderungen von heute sind andere, und sie sind größer. Aber ich glaube, wenn der Satz „Wir schaffen das“ keine reine Durchhalteparole sein soll, dann müs­sen wir auch sagen, wie wir es schaffen. Das heißt, wir müssen gerade angesichts der Herausforderungen unse­ren Job tun,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Asyl­paket I! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Asylpaket II müssten wir machen!)

damit wir die wirtschaftliche Stärke erhalten und wir das menschlich anständig hinbekommen. Genau das tut diese Bundesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will das deutlich sagen; denn jenseits des Zerrbil­des, das die Linke hier beschrieben hat, sind die wirt­schaftliche Stärke, die Nachfrage und die Wettbewerbs­fähigkeit etwas, was die wirtschaftliche Kraft in diesem Land ausmacht. Das Wirtschaftswachstum, Herr Dehm, wird eben nicht nur von einer starken und wettbewerbs­fähigen Wirtschaft getragen – schauen Sie sich mal die Statistiken genau an –, sondern auch von einer stabilen und starken Nachfrage und Kaufkraft in diesem Land. Nach Jahren ist die Lohn- und Gehaltsentwicklung end­lich wieder positiv. Wir brauchen eben beides: Wettbe­werbsfähigkeit und Exportstärke auf der einen Seite und starke Binnennachfrage sowie Investitionen auf der an­deren Seite, also starke Auswärtsspiele und starke Heim­spiele. Das macht die deutsche Wirtschaft heutzutage aus, und darauf können wir alle miteinander stolz sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das betrifft auch die Themen, die wir vor der Brust ha­ben.

Erstens. Wir werden das Thema Digitalisierung be­herzt angehen müssen, weil es die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes berührt, weil es riesige Produktivitätsfort­schritte verspricht, wenn wir uns auf diesen Weg machen. Aber wer von Industrie 4.0, wer von Wirtschaft 4.0 re­det, der darf zu Arbeit 4.0 nicht schweigen. Die Stärkung der Mitbestimmung wird ein entscheidender Faktor sein, wenn es darum geht, beim Umstieg zur digitalen Produk­tion in unseren Fabriken erfolgreich zu sein. Gegen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter, gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht das nicht. Deshalb ist es gut, dass dieser Bundeswirtschaftsminister auf die Partnerschaft zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft setzt. Dabei hat er unsere Unterstützung.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens, meine Damen und Herren, ist das Thema Energiepolitik hier angesprochen worden.Aufgrund der Kürze der Redezeit werde ich das nicht vertiefen können, aber so viel an die Adresse der Grünen: Wir setzen die Energiewende so um, dass sie erfolgreich ist. Da sage ich trotz all der Unkenrufe, die Sie hier vom Stapel lassen: Der Ausbau der Erneuerbaren geht weiter. Wir wollen aber dafür sorgen, dass er so weitergeht, dass er bezahl­bar ist und auch Systemintegration stattfinden kann.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Wir brauchen einen Systemwech­sel! – Weiterer Zuruf der Abg.Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb machen wir Aufräumarbeiten an der Energie­wende. Auch da hat der Bundeswirtschaftsminister unse­re Unterstützung. Das ist kein leichtes Geschäft; aber es ist wichtig, damit die Energiewende in diesem Land zum Erfolg wird.

Ja, den Erneuerbaren gehört die Zukunft – Stück für Stück.Aber wir müssen dafür sorgen, dass der Ausbau effizient gestaltet wird, was die Kosten, die Planbarkeit und die Systemintegration betrifft. Wir werden die Er­neuerbaren, die inzwischen 33 Prozent des Bruttostrom­verbrauchs in Deutschland ausmachen, konsequent an den Markt heranführen. Wir werben um Ihre Unterstüt­zung, damit wir die Energiewende schaffen und nicht ge­gen die Wand setzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

All das, was wir vor der Brust haben, ob bei den großen Herausforderungen unserer Zeit, bei der Digitalisierung, bei der Frage, wie wir die Energiewende vom Kopf auf die Füße stellen, damit eine sichere und saubere Energie­versorgung für die Zukunft unseres Landes gewährleistet werden kann, machen wir, weil es uns um eines geht: Wir setzen auf eine aktive Wirtschaftspolitik.Sigmar Gabriel betreibt eine aktive Wirtschaftspolitik, weil es uns darum geht, die Zukunft unseres Landes zu sichern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)