Rede von Hubertus Heil zum Antrag Panzerlieferung nach Katar sofort stoppen


Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Hubertus Heil von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Immer­hin, Frau Keul, gibt es einen Unterschied zwischen Ihnen und der Linkspartei. In Ihrer letzten Bemerkung haben Sie im Gegensatz zu Herrn van Aken eingeräumt, dass es eine Rechtsbindung gegeben hat. Sie wollen daher das Gesetz ändern; das ist eine legitime Position. Aber, Herr van Aken, dann hören Sie der Kollegin von den Grünen einmal zu: Es gibt eine Rechtsbindung. Nur weil Sie nicht glauben, dass sich Regierungen an Recht und Gesetz halten müssen, dürfen wir dem nicht folgen. Wir halten uns an Recht und Gesetz.

(Beifall bei der SPD – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können das trotzdem zurücknehmen! – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist ein Entscheidungsspielraum!)

Was ist denn das für ein Verständnis von Rechtsstaatlich­keit?

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Unsinn!)

Wir Sozialdemokraten befinden uns tatsächlich in der Situation, dass wir diese Entscheidung – Sigmar Gabriel hat das deutlich gemacht – kritisch sehen. Die Vorgän­gerregierung hat die Exportgenehmigung erteilt. Ich glaube, dass Sigmar Gabriel deutlich gemacht hat, dass er dieses Problem bei der Befassung des Bundessicher­heitsrats aufgerufen hat, zumal, wie gesagt, die Frage zu klären war, ob man zu einer anderen Beurteilung kommt. Dazu ist man nicht gekommen. Ich will das gar nicht kommentieren; denn diese Sitzungen sind geheim. Ich kenne die Argumente im Einzelnen nicht. Aber ich will eines deutlich sagen: Für uns ist ganz klar, dass wir die Wende zu einer restriktiveren Rüstungsexportpolitik in dieser Legislaturperiode eingeleitet haben. Das ist unbe­streitbar, Herr van Aken.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie sich mal die letzten Genehmigungen aus dem Bundessicherheits­rat an! Kleinwaffen!)

Wir haben für mehr Transparenz gesorgt. Die Berichte werden schneller vorgelegt. Die Öffentlichkeit kann da­rüber diskutieren. Es ist auch so – schauen Sie sich den Rüstungsexportbericht an –,

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir!)

dass die Zahl der Rüstungsexportgenehmigungen massiv zurückgegangen ist,

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee!)

vor allen Dingen im Bereich der Kleinwaffen; das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es gab eine Halbierung im letzten Jahr.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Zudem geht ein großer Teil der Kleinwaffenexporte in Länder, die nun wirklich nicht problematisch sind: in NATO-Länder, in der NATO gleichgestellte Länder, in die Schweiz. Es ist unverantwortlich, wenn Sie versu­chen, das zu bestreiten. Sigmar Gabriel hat dafür gesorgt, dass wir eine restriktivere Rüstungsexportpolitik betrei­ben. Für uns stehen bei den Rüstungsexportgenehmigun­gen Sicherheitsaspekte im Vordergrund und nicht ökono­mische Aspekte. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Herr Kollege Heil, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Brugger zu?

Hubertus Heil (Peine) (SPD):

Bitte schön.

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kollege. – Weil Sie in Ihrer Rede auf die Kleinwaffenex­porte und die großen Veränderungen abgestellt haben, möchte ich fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass wir in der letzten Woche eine Unterrichtung über die letzten Entscheidungen des Bundessicherheits­rates bekommen haben, die vor allem darin bestand, dass in Drittstaaten, in Staaten außerhalb von NATO und EU, vor allem in den arabischen Raum, Kleinwaffen gelie­fert worden sind. Deshalb frage ich Sie: Wissen Sie, ob das aufgrund der strengeren neuen Grundsätze für den Export von Kleinwaffen geschehen ist, wonach Endver­bleibskontrollen vorgesehen sind und „Neu für Alt“-Re­gelungen eingeführt werden sollen? Meines Wissens ist dies rechtlich ja noch gar nicht umgesetzt. Das heißt, Sie haben hier entgegen der gewollten Verschärfung eine große Lieferung an Kleinwaffen in Drittstaaten geneh­migt. Das ist doch sicherheitspolitisch unverantwortlich und nichts anderes als das, was wir in den letzten Jahren gesehen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):

Ich kann Ihnen dazu sagen: Meiner Kenntnis nach handelt es sich um ungefähr 500 Waffen für den Oman. Das halten wir sicherheitspolitisch für nicht bedenklich.

Ich habe auf die Dimension hingewiesen. Frau Brugger, wir müssen uns leider beide – Rot und Grün, aber vor allen Dingen auch Schwarz und Gelb – eingeste­hen: In keiner Legislaturperiode in den letzten 15 Jahren sind die Exportgenehmigungen im Bereich der Kleinwaf­fen so restriktiv gehandhabt worden wie in der Amtszeit von Sigmar Gabriel.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen das anhand von Zahlen erklären, auch weil das ein Stück Vergangenheitsbewältigung ist: Mit rot-grüner – vor allen Dingen auch mit grüner Zu­stimmung – sind im Jahre 2003 Sturmgewehre nach Saudi-Arabien geliefert worden. Das hat diese Regierung nicht getan. Bei der Frage, wer hier eine höhere Moral für sich beansprucht, gilt immer: Wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, dann zeigen immer mindestens drei Fin­ger zurück.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sagen ja, dass das falsch war!)

Jetzt reden wir aber über diese Legislaturperiode; das sage ich auch in Richtung Bündnis 90/Die Grünen. Sie wollten die Zahlen hören. Ich will sie Ihnen gerne vortra­gen. Wir haben im ersten Halbjahr 2015 bei den Klein­waffen einen Rückgang um 12,5 Millionen. Das ist der geringste Halbjahreswert für Kleinwaffen seit 15 Jahren. Und um die Relation deutlich zu machen: 50 Prozent der Kleinwaffenexporte gingen in Länder wie die Schweiz, Frankreich und Großbritannien. Das ist moralisch nicht zu kritisieren; denn das sind unsere Bündnispartner.

Noch einmal: Es wird immer Grenzentscheidungen geben. Da geht es nicht um Schwarz oder Weiß, sondern um Abwägungsentscheidungen. Ich will nur für uns und für Sigmar Gabriel in Anspruch nehmen, dass wir nicht aufgrund ökonomischer Interessen in Krisenländer ex­portieren. Das ist nicht unsere Haltung. Wenn wir Ge­nehmigungen für Exporte in Drittländer erteilen, dann geschieht das aus einem einfachen Grund, nämlich aus sicherheitspolitischen Erwägungen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn die sicherheitspolitischen Er­wägungen?)

Wir sorgen für eine restriktivere Politik, weil uns nicht egal ist, was mit deutschen Waffen auf der Welt passiert, meine Damen und Herren. Ich finde, es wäre fair gewe­sen, zumindest das anzuerkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass wir uns aus rechtsförmigen Gründen an Vorgänger­regierungsentscheidungen halten müssen, ärgert uns; das ist gar keine Frage. Wir werden aber nicht Rechts- und Gesetzesbrecher, nur weil Herr van Aken sich das so vor­stellt.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können doch das Recht ändern! Sie haben doch die Mehrheit!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)