Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:
Als nächster Redner hat der Kollege Hubertus Heil das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland hat sich mit der Energiewende auf den Weg gemacht. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir darauf hinweisen, dass es in Deutschland um eine doppelte Energiewende geht. Zum einen wollen und werden wir als hochindustrialisiertes Land aus der Kernkraft aussteigen, und zum anderen haben wir uns sehr ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt.
Meine Damen und Herren von den Grünen und von der Linkspartei, die Ziele, die wir damit verbinden, sind eine saubere, aber eben auch eine bezahlbare und eine versorgungssichere Energieversorgung in Deutschland. Das mag uns unterscheiden. Einfach nur darauf zu dringen, dass es sauber sein soll, und die anderen Dinge nicht im Blick zu haben, ist eben falsch. Ich sage Ihnen: Mit dem, was Sie hier betreiben, streuen Sie den Leuten Sand in die Augen. Ich will es Ihnen deutlich sagen: Wir sind uns alle einig, dass die fossilen Energieträger auf der Strecke an Bedeutung abnehmen werden und abnehmen müssen. Zur Frage, wie das geschehen muss, sage ich Ihnen: Wir wollen diesen Prozess marktwirtschaftlich organisieren,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar nicht!)
indem wir den Emissionshandel in Europa stärken, damit es an dieser Stelle die richtigen Preissignale gibt. Das ist der wahre Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der läuft gar nicht!)
Da gibt es einen Unterschied zwischen Grünen und Linkspartei. Die Linkspartei tut hier so, als würde das, was sie hier gerade vorgeführt hat, einen Beitrag zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels bis zum Jahr 2020 leisten. Das ist natürlich Quatsch, wenn die Linke, wie sie sagt, bis 2040 aus der Kohle aussteigen will.
(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Ganz!)
Für die Erreichung des 40-Prozent-Ziels bis zum Jahr 2020 bringt das gar nichts. Die Grünen sind da noch ein bisschen eleganter: Sie nennen nicht mal ein Jahr. Bis zu welchem Jahr wollt ihr denn den Kohleausstieg? Dazu kann man nachher ja vielleicht noch einmal Stellung nehmen.
Wenn wir der Meinung sind, es solle so laufen, wie ich es eben beschrieben habe – sauber, sicher und bezahlbar –, dann müssen wir darauf achten, dass wir die Energiewende in Deutschland nicht gegen die Wand fahren. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass wir die erneuerbaren Energien in Deutschland weiter ausbauen, und zwar systematisch, dass wir Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten und dass wir das Ganze bezahlbar machen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ein ordnungspolitischer Eingriff in den Kraftwerks-park, der im Moment durch den Merit-Order-Effect dafür sorgt, dass die Kohlekraftwerke ganz schnell stillgelegt werden und dass ganz teure Gaskraftwerke kurzfristig nach vorne kommen, führt zu steigenden Preisen. Die Frage an dieser Stelle ist, ob die Grünen das wollen.
So zu tun, als würde das zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels bis zum Jahr 2020 irgendetwas bringen, Oli Krischer, ist etwas unterkomplex. Wenn wir hier Kohlekraftwerke in kurzer Frist scheinbar stilllegen und den Menschen suggerieren, wir würden damit 1 Tonne CO₂ in Europa sparen, ist das auch nicht richtig. Die Wahrheit ist an dieser Stelle, dass der Emissionshandel dazu führt, dass, wenn hier ein Kohlekraftwerk zwangsabgeschaltet wird, das entsprechende Zertifikat in ein anderes europäisches Land wandert und dass dieses Verschmutzungszertifikat dort genutzt wird.
Der Schlüssel ist ein anderes Marktdesign, und dazu gehört im Übrigen auch der Emissionshandel.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie auch verschlafen! Das macht ihr auch nicht!)
– Nein, Moment mal. Wir sind uns einig, dass da in den letzten Jahren zu wenig passiert ist. Aber ich sage: Diese Bundesregierung macht Druck in Europa.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Jetzt passiert zu wenig!)
Das ist der richtige Weg.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass in der Vergangenheit zu wenig passiert ist, ist kein Argument, jetzt gar nichts mehr zu machen!)
Das andere ist, dass ihr Grünen den Menschen suggeriert, es gehe bei der Energiewende nur um Strom, um den Strommarkt. Wir werden die Klimaschutzziele nicht allein über den Kraftwerkspark und den Strommarkt erreichen, sondern wir müssen auch über den Wärmemarkt, die Gebäudesanierung, den Verkehrsbereich und den Landwirtschaftsbereich gehen. Das ist das, was wir brauchen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie auch nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nirgendwo machen Sie das!)
Ich finde es ein bisschen traurig, dass ihr Grüne, die ihr die Energiewende einmal mit auf den Weg gebracht habt, inzwischen allein der Propaganda willen, um noch ein Alleinstellungsmerkmal zu haben – das habt ihr beim Atomkraftausstieg nicht mehr, weil inzwischen alle dafür sind; freut euch darüber! –, an dieser Stelle einen Popanz aufbaut.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Genau! Das ist der Grund!)
Wir haben eine Verantwortung dafür, dass die Energiewende in Deutschland gelingt, damit andere uns folgen.
(Beifall des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU])
Deshalb sind für uns eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung gleichrangige Ziele, und das mag uns unterscheiden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie sich doch mal die abgebaggerten Dörfer in den Braunkohlegebieten an, wenn Sie von Popanz sprechen!)
Noch einmal: Das 40-Prozent-Ziel bis 2020 im Bereich CO2-Minderung in Europa in Deutschland durchzusetzen, wird von uns angepeilt. Wir alle wissen: Das ist nicht leicht zu erreichen. Aber wir halten an dem Ziel fest, eine Reduktion von CO2 um 40 Prozent, gemessen an dem Wert von 1990, zu erreichen.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht aber nicht!)
Das ist anstrengend, aber es muss auch weitergehen, über 2020 hinaus. Die Frage ist, wie wir das miteinander erreichen. Ich sage noch einmal: Diese Bundesregierung diskutiert darüber, wie man das erreicht. Es wird am 3. Dezember Vorschläge dazu geben.
Die Frage, wie wir eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung auf den Weg bringen, die noch viel entscheidender ist, wird im nächsten Jahr entschieden, wenn wir über das Strommarktdesign in Deutschland zu diskutieren haben.
Hier Klischees nach dem Motto „Die einen sind für die Kohle, die anderen sind für die Erneuerbaren“ zu verbreiten, das ist, mit Verlaub, unterkomplex. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Da kann ich den Grünen und den Linken nur sagen: Fortschrittlich zu sein, heißt nicht, mythisch zu sein, sondern aufklärerisch tätig zu sein. Das wäre auch etwas, was den Menschen helfen würde, das Ganze zu begreifen, dieses komplexe Thema Energiewende zu verstehen; das ist nämlich komplex; das ist nicht einfach. Hier mit einfachen Parolen zu arbeiten, wird der Sache nicht gerecht.
Ich sage es noch einmal: Wir müssen es in Deutschland schaffen, die Energiewende zu stemmen, sicher, sauber und bezahlbar, damit andere uns folgen. Wenn wir die Energiewende gefährden oder die Akzeptanz der Energiewende gefährden, weil Versorgungssicherheit infrage gestellt wird
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Nettoexporten? Quatsch!)
oder die Bezahlbarkeit auf der Strecke bleibt, würden wir der Energiewende einen Tort antun. Das wollen wir nicht. Das werden wir nicht. Deshalb werden wir konsequent daran festhalten, eine sichere und saubere Energieversorgung in Deutschland auf den Weg zu bringen. Wir werden uns dabei von solchen Aktuellen Stunden nicht aufhalten lassen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)