Rede von Hubertus Heil zu dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und der Ausgleichsregelung

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Hubertus Heil ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will feststellen, dass es trotz der Auseinandersetzungen in der Geschäftsordnungsdebatte und in dieser Debatte in diesem Hohen Hause Gott sei Dank doch einen Konsens gibt: Wir alle wollen, dass die Energiewende zum Erfolg geführt wird. Wenn wir über die Energiewende reden – ich sage, das ist der Unterschied zu der Situation von vor 15 Jahren –, dann reden wir zum einen über den Ausstieg aus der Atomkraft – den stellt niemand mehr in Frage; das ist ein großer Erfolg – und zum zweiten über sehr ehrgeizige Klimaschutzziele. Ich kann nicht verstehen, dass sich die Grünen nicht einfach einmal freuen, dass das, was Gründungsmythos ihrer Partei ist, inzwischen Allgemeingut ist. Wir sind in diesem Hohen Hause nicht auseinander, was die Ziele an dieser Stelle betrifft.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie sie schlecht machen, Herr Heil!)

Aber, Herr Krischer, eines will ich Ihnen auch deutlich sagen: Mit Ihrem Redebeitrag haben Sie sich aus einer seriösen Debatte um die Reform der erneuerbaren Energien vollständig verabschiedet.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich will Ihnen das anhand von zwei Beispielen belegen.
Erstens. Wir können über vieles diskutieren. Brüssel hat uns am Montag etwas unterzujubeln versucht,

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das böse Brüssel!)

was nicht Teil dieses Gesetzes ist, nämlich das EEG-System in Deutschland zu sprengen, indem über die deutsche EEG-Umlage ausländischer sogenannter grüner Strom, der in der Regel Atom- und Braunkohlestrom ist, bezahlt werden soll. Was ich nicht verstehen kann, ist, dass Grüne sich hier mit diesem Klamauk zu Verbündeten von Feinden des EEG in Brüssel machen, von Feinden der Energiewende. Das hat mit seriöser grüner Politik nichts mehr zu tun, Herr Krischer.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zweitens. Wir versuchen in der Koalition, Energiepolitik im Interesse des Gemeinwohls dieses Landes zu organisieren. Sie machen sich zum Anwalt von Partikularinteressen, von einzelnen wirtschaftlichen Interessen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht das, was früher dem moralischen Anspruch der Grünen entsprach. Sie begeben sich in die Nische. Damit verabschieden Sie sich aus einer seriösen Debatte, Herr Krischer.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen Sie viel besser, Herr Heil!)

Sie machen sich hier zum verlängerten Arm von Einzelverbänden. Jeder hat in diesem Zusammenhang berechtigte ökonomische Interessen.
Aber lassen Sie uns einmal über die EEG-Umlage reden, und zwar anhand von Zahlen. 24 Milliarden Euro im Jahr wälzen wir zur Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien um. Ich sage: Das EEG ist vom Grunde her ein richtiges Gesetz zur Markteinführung erneuerbarer Energien gewesen – mit großen Erfolgen; ihr Anteil liegt jetzt bei 25 Prozent. Aber zur Wahrheit gehört auch, zu sagen, wie sich die Kosten verteilen. Von diesen rund 24 Milliarden Euro, die wir Jahr für Jahr in der Volkswirtschaft zum Ausbau erneuerbarer Energien umwälzen, tragen die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land etwa 7 Milliarden Euro. 7 Milliarden Euro zahlt die gewerbliche Wirtschaft und ungefähr 7 Milliarden Euro die Industrie; die Landwirtschaft kommt noch hinzu. Das heißt, es gibt im Gegensatz zu dem, was Sie erzählen, eine Belastung der Industrie; diese ist nicht vollständig befreit. Es gibt auch eine Belastung des Gewerbes und ebenso der privaten Verbraucher. Diese Belastung fällt auch in den nächsten Jahren nicht weg – das muss man einmal ganz offen sagen –, weil die Zusagen für die Einspeisevergütung bei Bestandsanlagen für 20 Jahre bestehen bleiben. Wenn man aber die Akzeptanz der Energiewende nicht gefährden will, Herr Krischer, dann muss man beim Zubau im Bereich der erneuerbaren Energien für mehr Kosteneffizienz sorgen. Sie haben kein Wort gesagt,

(Thomas Oppermann [SPD]: Kein Wort!)

wie Sie zu mehr Kosteneffizienz beitragen wollen. Auch deshalb verabschieden Sie sich aus einer seriösen Debatte.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Worum geht es? Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss reformiert werden. Wer die Energiewende will, der muss jetzt zur Reform bereit sein. Wir wollen dafür sorgen, dass die Erneuerbaren planbar ausgebaut werden. Ich bin froh, dass den Ausbaukorridoren, die wir mit den Ländern vereinbart haben, in den gesetzgeberischen Verhandlungen entsprochen wird. Wir wollen die Energiewende nicht ausbremsen – auch das ein Stück Propaganda seitens der Grünen –, sondern werden den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent ausbauen. Ich kann nicht verstehen, Herr Krischer – denn wir sind uns hier mit vielen Grünen in den Bundesländern, die an diesem Erfolg mitgearbeitet haben, einig –, warum Sie das hier infrage stellen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sehen das aber anders!)

Wir wollen und werden dafür sorgen, dass Deutschland Industrienation bleibt, von der Grundstoffindustrie über den produzierenden Mittelstand bis hin zu den kleinen Unternehmen. Diese Wertschöpfungskette hat keine andere Volkswirtschaft in Europa. Wer diese Wertschöpfungskette haben will, der muss auch etwas dafür tun, dass die Grundstoffindustrie, die im internationalen Wettbewerb steht und die vom Prozess her sehr hohe Energiekosten hat – ob Stahlwerke, ob chemische Industrie, ob aluminiumverarbeitende Industrie oder andere –, auch bestehen kann. Deshalb war es richtig – und das ist ein Riesenverdienst –, dass der Bundeswirtschaftsminister im Clinch mit Brüssel in den vergangenen Monaten dafür gesorgt hat, dass wir hier eine gute Regelung hinbekommen haben, um im internationalen Wettbewerb industrielle Arbeitsplätze in Deutschland zu halten. Diese Koalition und dieser Minister lassen Deindustrialisierung in Deutschland nicht zu; das ist eine gute und wichtige Nachricht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir werden und wollen mit diesem EEG in eine neue Ordnung am Strommarkt überleiten, in ein neues Strommarktdesign. Auch das ist wichtig, damit wir die Energiewende zum Erfolg führen. Es waren und sind harte Gespräche, was die EEG-Reform betrifft; gar keine Frage. Es sind nach wie vor anstrengende Debatten in den nächsten Jahren zu führen. Aber ich glaube, es lohnt sich. Die Energiewende zum Erfolg zu führen, wirtschaftlich, ökologisch und sozial, das ist das Ziel dieser Koalition.
Wir machen uns Schritt für Schritt daran, hier Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen; denn das ist in den letzten Jahren durch viele erratische Züge in der Energiepolitik infrage gestellt worden. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass da Grund hineinkommt, damit die Energiewende zum Erfolg wird, damit Kosteneffizienz und Berechenbarkeit vorhanden sind, damit Planungs- und Investitionssicherheit tatsächlich gewährt werden. Für all das sorgt dieses EEG.
Wie viele haben über dieses EEG diskutiert und an seinem Zustandekommen mitgewirkt! Wie viele Einzelinteressen sind vorgetragen worden! Es ist in einer Demokratie vollkommen berechtigt, dass jeder Einzelne seine Interessen vorträgt. Aber unsere Aufgabe hier im Deutschen Bundestag ist es nicht, alle Einzelinteressen zu verwirklichen; denn das Gesamtinteresse ist nicht die Summe aller Einzelinteressen.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur der von RWE und Eon!)

Nach Abwägung dessen, was notwendig ist, haben wir dafür gesorgt, dass tatsächlich das Gesamtinteresse berücksichtigt wird.
Ich will auch etwas zum Thema Eigenstrom sagen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass es dabei bleibt, dass Bestandsanlagen für Eigenstrom dauerhaft nicht mit der EEG-Umlage belastet werden; denn der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit entsprechende Zusagen gemacht. Damit ging keine einfache Diskussion einher; in Meseberg gab es dazu andere Vorstellungen. Ich finde es richtig, dass wir Bestandsschutz gewährleisten. Das betrifft private, gewerbliche und industrielle Eigenverstromung.
Wir haben aber auch gesagt: Wir wollen im Hinblick auf den Neubau von Eigenverstromungsanlagen eine behutsame Einbeziehung und eine einheitliche Behandlung derjenigen, die zubauen. Das ist deshalb wichtig, weil es in diesem Land immer Menschen geben wird, die gar keine Gelegenheit haben, Eigenstrom zu erzeugen, die die EEG-Umlage aber für andere mit zahlen würden, wenn immer mehr Menschen, die zur Eigenstromerzeugung in der Lage sind, in diese Form der Stromerzeugung flüchten. Insofern ist eine einheitliche Heranziehung des Eigenstroms in die EEG-Umlage, wie ich finde, immer noch behutsam, gerechtfertigt und richtig.
Zum Schluss möchte ich noch etwas in Richtung Brüssel sagen. Richtig ist: Es gibt ein Beihilferecht, an das wir uns halten müssen. Es gibt Umwelt- und Beihilfeleitlinien, die wir besprochen haben und an die wir uns mit diesem Gesetz halten. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn in Brüssel versucht wird, eine Mikrosteuerung der deutschen Energiewende vorzunehmen, weil einigen dort unser Weg nicht passt. Die Auseinandersetzung darüber mit Brüssel müssen wir im Interesse dieses Landes bestehen. Meine Damen und Herren, wir werden sie bestehen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)