Rede von Hubertus Heil zur Rüstungsexportgenehmigungen der Großen Koalition


Vizepräsidentin Petra Pau:

Der Kollege Hubertus Heil hat für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, das Thema Rüstungsexporte verdient weder Naivität noch Zynismus, und ich sage das hier in unterschiedliche Richtungen. Sie sollten sich die Fähigkeit aneignen, in einer Demokratie zu differenzieren, Herr van Aken. Ich habe mich so echauffiert, weil Sie Herrn Gabriel angegriffen haben, weil er heute nicht anwesend ist. Er ist krank.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Gute Besserung! – Inge Höger [DIE LINKE]: Woher sollen wir das wissen? – Gegenruf des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das wusste die Fraktionsführung!)

Das passiert schon einmal im Leben. Das zu skandalisieren, sagt auch etwas über Ihren Charakter, finde ich.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Aber dabei bleibt es nicht stehen. Es geht nicht nur um die Frage: fehlende Differenzierung oder Naivität? Vor allem geht es nicht an, mit Desinformation oder Irreführung zu arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das will ich anhand von ein paar Punkten belegen, Herr van Aken.
Tatsache ist: Deutschland ist ein Standort für Wehr- und Sicherheitstechnik. Tatsache ist auch: 80 000 Menschen – das ist schon erwähnt worden – arbeiten in dieser Industrie, die sehr stark exportabhängig ist.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fachkräftemangel!)

– Hören Sie einfach einen Moment zu, bevor Sie sich so ausgiebig ausbrüllen!
Es ist uns aber nicht egal, wohin Kriegswaffen exportiert werden. Das ist der Unterschied. Sie fordern auf Wahlplakaten – das ist Ihre Position und an Schlichtheit nicht zu überbieten –: „Rüstungs-Exporte verbieten! Die Linke.“

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Sie unverschämter Lümmel, Sie!)

– Das habe ich gerufen, weil ich es unverschämt finde, wie Sie mit der Krankheit eines Ministers umgehen. Sie sollten sich schämen, solche Reden zu halten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ihnen ist die kurzfristige Pointe wichtiger als die Wahrheit, Herr van Aken. Sie sagen – das sind sachliche Unterschiede –, Sie wollen Exporte verbieten. Wir sagen: Wir wollen Exporte nicht verbieten, sondern wir wollen, dass restriktiv entschieden wird, wohin exportiert wird.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Das vermissen wir aber!)

Die neue Bundesregierung liefert ein Instrument, das der deutschen Öffentlichkeit und diesem Parlament helfen wird, eine restriktivere Rüstungsexportpolitik zu betreiben.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Davon merken wir aber nichts!)

Das sage ich, weil Sie an dieser Stelle die Tatsachen bewusst verdreht haben, Herr van Aken. Es ist jemandem, der schließlich nicht ganz blöd ist, aus meiner Sicht nicht als Naivität anzurechnen, sondern es ist tatsächlich perfide, wenn Sie so tun, als würden wir uns nicht an das halten, was wir als Bundestag beschlossen haben.
Der Deutsche Bundestag hat am 8. Mai einen Beschluss gefasst. Das heißt, die 14-Tage-Frist läuft noch. Sie wissen, dass für die erstmalige Anwendung der Transparenzregeln die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates geändert wird. Das passiert gerade. Wir werden also in den nächsten Tagen das bekommen, was wir gefordert und durchgesetzt haben, nämlich dass statt Geheimdokumenten und Geheimniskrämerei dieses Parlaments nach Rüstungsexportentscheidungen eine Dokumentation erfolgt.
Danach kann man ernsthafte Debatten darüber führen, ob Rüstungsexportrichtlinien eingehalten oder verletzt wurden. Ihnen geht es aber nicht darum, ob Rüstungs-exportrichtlinien eingehalten oder verletzt werden. Ihr Geschäftsmodell ist die Skandalisierung. Mit unserer Transparenz werden wir das kaputtmachen. Vielleicht sind Sie deshalb so sauer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will auf die Frage eingehen, die Sie in den Raum gestellt haben: Ja, es ist richtig, dass Rüstungsexporte stattgefunden haben, und zwar aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen, die die Vorgängerregierung abgeschlossen hat. Um einen Posten zu nennen, den Sie auch kennen: Der größte Posten, um den es geht, sind Exportgenehmigungen mit einem Volumen von über 191 Millionen Euro für Exporte nach Singapur. Dabei handelt es sich um eine Bundeswehrabgabe. Das sind völkerrechtliche Verträge, aus denen man nicht einfach aussteigen kann.
Aber ich sage auch – Kollege Arnold hat das angedeutet; darin unterscheiden wir uns, Herr Pfeiffer, falls es Ihnen nicht passt –: Für uns ist Rüstungsexportpolitik keine Wirtschaftspolitik, sondern Sicherheitspolitik. Deshalb werden wir in puncto Transparenz den Druck auf Entscheidungsträger, wer auch immer eine Bundesregierung stellen wird, für eine restriktive Exportpolitik verstärken. Das wird mutmaßlich dazu führen, dass dieses Land weniger exportieren wird als in den letzten Jahren.
Sie können das anhand von Zahlen nachvollziehen. In den ersten Monaten dieses Jahres – auch das verschweigen Sie wider besseres Wissens, Herr van Aken – haben weniger Rüstungsexporte als im Vorjahr stattgefunden. Das werden Ihnen die Berichte deutlich machen.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Und die Drittländer?)

– Ja, wir werden über die Drittländer differenziert reden müssen. Es gibt welche, in die Exporte nicht möglich sind, und andere, in die exportiert werden kann, weil es dort ein stabiles System gibt und die Menschenrechte nicht verletzt werden.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Saudi-Arabien ist doch dabei!)

Es gibt zudem sicherheitspolitische Interessen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Es ist schon ein Unterschied, ob Sie Panzer oder Patrouillenboote in ein Land exportieren. Panzer lassen sich möglicherweise gegen die Bevölkerung einsetzen. Deshalb haben wir das bei der Vorgängerregierung zu Recht kritisiert. Bei Patrouillenbooten geht es zum Beispiel um den Schutz von Küsten und Bohrinseln.
Sie geben die Fähigkeit zur Differenzierung auf, nur weil Sie sich davon billige Vorteile im Wahlkampf versprechen. Ihnen geht diese Fähigkeit ab. Das ist nicht gut für die Demokratie. Deshalb sind Sie nicht politikfähig. Mit den Grünen streite ich mich gerne darüber, ob die Richtlinien, die wir gemeinsam erarbeitet haben, eingehalten werden oder nicht. Darüber können wir demnächst auf der Basis von Fakten und mehr Transparenz in diesem Haus strittig diskutieren. Aber ich habe eine Differenzierung bei den Grünen festgestellt. Sie sind nicht für ein Verbot von Rüstungsexporten. Jedenfalls habe ich nichts Entsprechendes gelesen. Aber Sie sprechen sich für ein solches Verbot aus. Eine Differenzierung ist Ihnen völlig egal. Sie versuchen, Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung als Feindbild zu kultivieren. Aber das wird Ihnen nicht gelingen.
Es geht um die Verantwortung für die Sicherheit nicht nur in diesem Land, sondern auf der ganzen Welt. Dazu trägt auch die restriktive Handhabung unserer Richtlinien bei. Wir werden mit noch nie da gewesener Transparenz dafür sorgen, dass wir nicht in Länder exportieren werden, in denen die Bevölkerung unterdrückt wird. Hier geht es um Leben und Tod. Als Wirtschaftspolitiker sage ich ganz bewusst: Das ist nicht eine rein ökonomische, sondern eine ethische Frage. Die Fähigkeit zur Differenzierung wünsche ich Ihnen und allen anderen in diesem Haus. Das ist in einer tatsächlich schwierigen Situation angemessen. Ich bin froh, dass der Kollege Arnold darauf hingewiesen hat, dass das Leben nicht nur schwarz oder weiß, sondern manchmal auch grau ist. Das werden wir mit mehr Transparenz ausleuchten.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)