Rede von Hubertus Heil zum Bundeshaushalt Wirtschaft und Energie

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Hubertus Heil für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Wirtschaftspolitik und die Energiepolitik in diesem Land. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich wundere mich schon – das muss ich offen sagen –, dass es in einer Zeit, in der es darum geht, die Energiewende tatsächlich zum Erfolg zu führen, quasi ein Auseinanderbrechen der Grünen in den Bundesländern und jener der Bundestagsfraktion gibt.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da machen Sie sich mal keine Sorgen!)

Warum hat denn Herr Kretschmann das, was Sigmar Gabriel zustande gebracht hat, gelobt, und warum reden Sie das hier in Grund und Boden? So richtig passt das nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nehmen wir uns die Punkte einmal im Einzelnen vor. Frau Hajduk, ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie Arbeitsplätze in der Industrie gegen die Interessen der Verbraucher ausspielen.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie machen hier ganz billige Polemik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Tatsache ist, dass wir in Deutschland besser durch die Krise gekommen sind als andere Länder, weil wir funktionierende Wertschöpfungsketten haben, von den Grundstoffindustrien über den produzierenden Mittelstand bis hin zu kleinen Unternehmen. Dass Sie in einer solchen Situation die Existenz von Arbeitsplätzen oder zumindest die Investitionen in Grundstoffindustrien gefährden,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oje! Hubertus, du weißt es doch besser!)

indem Sie fordern, diese Industrien unmaßvoll einzubeziehen, finde ich schon ein starkes Stück.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat gar nicht zugehört! Er hat es ja gar nicht kapiert!)

Wir haben dafür gekämpft, dass es berechtigte Ausnahmen gibt. Die jetzigen Ausnahmen sind andere als die zuvor. Sie sind nämlich an objektivierbaren Kriterien, die in der Diskussion mit der EU-Kommission zustande gekommen sind, zu messen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist aber nicht besser geworden!)

Ich finde, es ist ein guter Erfolg, dass dieses Damoklesschwert über der Grundstoffindustrie in Deutschland von unserem Minister beseitigt wurde.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zum Umgang mit dem EEG. Wir sind uns doch einig, dass wir den Ausbau erneuerbarer Energien wollen. Der Anteil der erneuerbaren Energien liegt momentan bei 25 Prozent. Mit unserer Politik kommen wir in den nächsten Jahren auf 45 Prozent. Deshalb kann vom Ausbremsen der Energiewende überhaupt nicht die Rede sein.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind aber Zielzahlen, nicht die Maßnahmen!)

Es geht um etwas anderes: Es geht um Planbarkeit und Kosteneffizienz. Dass Sie sich dagegen wehren, ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir können doch nicht immer mehr Überförderung in diesem Bereich zulassen und nur zuschauen, obwohl es Planungs- und Investitionsunsicherheiten nicht nur für die Erneuerbaren, sondern für die gesamte deutsche Wirtschaft gibt.

(Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Wenn Sie mir eine Frage stellen wollen, dann freue ich mich darüber; denn meine Redezeit ist sehr kurz.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ein bisschen mitwirken muss ich daran wohl auch noch.

(Heiterkeit)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Verzeihung.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Wenn es schon bei ansonsten erkennbaren Differenzen zumindest in dieser Frage Einvernehmen zwischen Koalition und Opposition gibt, will ich dem nicht im Wege stehen. – Bitte schön.

Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Kollege Heil, es liegt wohl auch an meiner Frage, ob Sie sich freuen, dass Ihre Redezeit verlängert wird. – Ich habe den Eindruck, dass Sie einen sehr großen Popanz zwischen EEG-Reform und der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie aufbauen. Nehmen Sie denn zur Kenntnis, dass in China, einem unserer Wettbewerber, im letzten Jahr im Kraftwerksbau im Bereich der Erneuerbaren mehr investiert wurde als im Bereich der Fossilen und dass auf den Weltmärkten die Musik spielt, dass wir aber gleichzeitig – das nehme ich auf Reisen im Ausland so wahr – unser Erfolgsprojekt Energiewende konsequent kaputtreden? Sie sind daran in erster Linie beteiligt.

(Beifall der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Nein, lieber Herr Kollege, das nehme ich nicht zur Kenntnis, und das ist nicht in Ordnung. Ich gehöre genauso wie Sie zu den Befürwortern dieser Energiewende. Wir beide sind für das Erreichen sehr ehrgeiziger Klimaschutzziele unter den Bedingungen einer hoch-industrialisierten Nation. Wir beide sind für den geordneten Ausstieg aus der Atomkraft. Wir beide sind sicherlich der Meinung, dass wir, wenn wir die doppelte Energiewende in Deutschland schaffen – raus aus der Kernkraft und rein in erneuerbare Energien –, deutschen Technologien Chancen auf den Weltmärkten eröffnen. Aber dafür müssen wir die Energiewende bei uns hinbekommen, Planungssicherheit schaffen und für Kosteneffizienz sorgen. Sie ignorieren das und nehmen nicht zur Kenntnis, dass wir aufgrund der Überförderung immer mehr umwälzen müssen. Es geht nicht allein um Menschen, die die Welt verbessern wollen, sondern um geschäftliche Interessen.
Von Ausbremsen kann gar keine Rede sein.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!)

Der Zubau in den nächsten Jahren wird dazu führen, dass der Anteil der Erneuerbaren bei 45 Prozent liegt. Es geht aber um Berechenbarkeit beim Zubau, damit wir beispielsweise die Netzintegration leisten können. Ich sage es noch einmal: Es geht auch um mehr Kosteneffizienz. Die Lernkurve im Bereich der Erneuerbaren, insbesondere bei Wind onshore und Photovoltaik, zeigt mittlerweile so steil nach oben, dass wir die Erneuerbaren an den Markt heranführen können und nicht überfördern müssen. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Photovoltaik liegt doch brach, wird doch gar nicht mehr ausgebaut!)

– Frau Höhn, dass Sie, die Sie wirklich Verdienste in der Energiepolitik haben, mit Ihrem starren Beharren auf Überförderung der Energiewende einen Tort antun, sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will Ihnen deutlich sagen, dass das, was Bundesminister Gabriel mit Unterstützung der Bundesregierung, insbesondere des Kanzleramtsministers und der Bundeskanzlerin, geschafft hat, nicht nur die Chancen eröffnet, die Energiewende wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, sondern auch zu einem Investitionsschub in der gesamten deutschen Wirtschaft führen kann. Denn die Unsicherheiten, die wir in den letzten Jahren auch aufgrund von, ich sage einmal, erratischen Formen von Energiepolitik erlebt haben, haben dazu geführt, dass Investitionen in vielen Bereichen blockiert wurden. Die lagen auf Halde im Bereich der erneuerbaren Energien, im Bereich der Wirtschaft, auch der Grundstoffindustrien selbst. Investitionen sind aber genau das, was wir brauchen.
Frau Hajduk, Sie haben zu Recht davon gesprochen, dass wir nicht selbstzufrieden sein dürfen; denn wir haben in Deutschland sowohl bei den öffentlichen als auch bei den privaten Investitionen – da hat das DIW vollkommen recht – eine ganze Menge in den nächsten Jahren zu leisten. Bei den öffentlichen Investitionen macht sich diese Koalition auf den Weg.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)

Wir investieren 9 Milliarden Euro mehr in Bildung, Forschung und Wissenschaft. Wir werden die Kommunen entlasten, weil die am meisten in die öffentliche Infrastruktur investieren. Wir steigern in diesem Haushalt die Verkehrsinvestitionen um 5 Milliarden Euro.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Statt Erhaltung Neubau! Das ist Blödsinn!)

Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wir können immer noch mehr fordern; aber es ist richtig, dass diese Bundesregierung bei Investitionen wirklich gute Schwerpunkte setzt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu wenig und falsche Prioritäten!)

Wir müssen gleichzeitig darauf schauen, dass die privaten Investitionen, die in unserem Land zu niedrig sind, in Unternehmen stattfinden, und dafür brauchen sie ordentliche Rahmenbedingungen. Das heißt vor allem Berechenbarkeit von Politik, und genau das schaffen wir im Bereich der Energiepolitik. Da kehrt Berechenbarkeit zurück.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Bundesminister Gabriel, Sie sind nicht allein Energieminister – das haben Sie bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts betont –, Sie sind Minister für Wirtschaft und Energie. Ich will Ihnen sagen: Wir als SPD-Bundestagsfraktion freuen uns, dass Sie mit Ihrer Arbeit wieder auf eine aktive Wirtschafts-, Industrie- und Mittelstandspolitik setzen und Sie nicht nach dem Motto verfahren: Wirtschaft wird alleine in der Wirtschaft gemacht. – Nein, die Rahmensetzungen, die wir in der Politik vornehmen, und die Initiativen, die wir ergreifen, haben für die Zukunft unserer Wirtschaft eine entscheidende Bedeutung.
Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir können uns nicht selbstzufrieden zurücklehnen. Wir sind sehr erfolgreich, wir sind Exportvizeweltmeister. Aber wir stehen vor großen Aufgaben. Die Energiewende ist die eine, der veränderte demografische Aufbau am Arbeitsmarkt ist die zweite. Die große Frage der Digitalisierung unserer Industrienation und der gesamten Wertschöpfungsketten – Stichwort „Industrie 4.0“; das wurde dieser Tage auf der Hannover Messe intensiv diskutiert – liegt vor uns. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zurückfallen. Es gibt eine ganze Menge von Unternehmen, die in dieser Beziehung etwas leisten können; sie sind aber leider nicht in Europa oder in Deutschland, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Fernost.
Es bleibt also viel zu tun. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, mit einer aktiven Wirtschaftspolitik die Grundlagen dafür zu schaffen, dass unser Land erfolgreich bleibt. Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Hand. Wir danken Ihnen und auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Ministeriums, die wirklich Großes beim Thema EEG geleistet haben, für die nächtelange Arbeit in den letzten Wochen. Jetzt sind wir als Parlament gefragt, was die EEG-Reform betrifft. Wir werden dafür sorgen, dass das Ganze vernünftig durch das Parlament kommt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)