Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Zimmer. – Als nächster Redner hat Hubertus Heil von der SPD das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin Claudia Roth! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren von der Linkspartei, es mag ja Parteien in diesem Hause geben, die ohne ein gesundes Feindbild gegenüber politischen Mitbewerbern nicht durch den Tag kommen. Ich finde, Ihre Rede und Ihre Art und Weise, wie Sie hier auftreten, entlarvt Sie selbst. Es geht Ihnen offensichtlich nicht mehr um die betroffenen Menschen, für die wir den gesetzlichen Mindestlohn einführen, sondern es geht Ihnen darum, Ihr Profilchen zu schärfen. Das ist aber billig und hat mit der Sache nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das mag zum einen damit zu tun haben, dass es Ihnen möglicherweise gefällt, Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung wieder als Feindbild zu haben, und dass Sie so Ihre disparaten Truppen zusammenhalten können.
Zum anderen mag das damit zu tun haben, Herr Ernst, dass Sie möglicherweise das Gefühl haben, dass Ihnen ein Thema, was Sie nie wirklich richtig besetzt haben, ganz abhandenkommt, weil Sozialdemokraten nicht dafür sorgen, dass das in Resolutionen steht, sondern dass es für den Menschen auch in das Gesetz kommt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wenn es nur so wäre!)
Ich möchte an dieser Stelle einmal sehr deutlich sagen: Die Mutter des Erfolgs ist meine Kollegin Andrea Nahles. Liebe Andrea, ganz herzlichen Dank dafür.
(Beifall bei der SPD)
Es ist der SPD unter der Leitung von Andrea Nahles gelungen, in der entsprechenden Arbeitsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen dafür zu sorgen, dass zum 1. Januar 2015 für Millionen von Menschen der gesetzliche Mindestlohn endlich Realität wird. Um es deutlich zu sagen: Die kriegen mehr Geld. Sie tun ja gerade so, als würden sie weniger Geld bekommen. Das können Sie an dieser Stelle doch einmal anerkennen und sollten es nicht schlechtreden, wenn es Ihnen wirklich um die Menschen geht.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens. Ja, es gibt bis 2017 Übergangsregelungen. Wenn man allerdings genau in den Entwurf der Koalitionsvereinbarung schaut, erkennt man, dass dies nicht die Folgen hat, die Sie hier beschrieben haben. Sie haben behauptet, dass der Mindestlohn dann beispielsweise für ganze Berufsgruppen nicht gelten wird. Das stimmt nicht. Auch Minijobber bekommen dann den Mindestlohn.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist doch keine Berufsgruppe!)
Auch was die Saisonkräfte betrifft, sage ich Ihnen: Das, was Sie behaupten, stimmt nicht.
Ich sage Ihnen etwas zu der Frage, wie es sich mit denjenigen verhält, für die zwischen 2015 und dem 31. Dezember 2016 tatsächlich noch abweichende Regelungen gelten: Das sind Menschen, bei denen es die Chance gibt, die Tarifbindung – gerade in Ostdeutschland – zu stärken.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch die Tarifverträge nicht attraktiver!)
Herr Ernst, Sie und ich sind Mitglied einer Gewerkschaft, der IG Metall. Ich frage Sie an dieser Stelle: Wundern Sie sich nicht zumindest darüber, dass Hartmut Meine, den wir beide gut kennen, den Mitgliedern meiner Partei bei dem anstehenden Mitgliedervotum eine Zustimmung empfiehlt, gerade aus dem Grund, dass wir, ausdrücklich im Interesse der arbeitenden Menschen in diesem Land, die Tarifbindung mit dem Gesamtpaket – mit dieser Regelung zum gesetzlichen Mindestlohn, übrigens auch mit den Rentenregelungen – wieder stärken? Das tun übrigens die Vorsitzenden aller DGB-Einzelgewerkschaften. Wollen Sie die für bekloppt erklären? Das frage ich an dieser Stelle einfach einmal unter Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Haben Sie das Gefühl, dass die Führungen der Gewerkschaften keine Ahnung mehr von den arbeitenden Menschen in diesem Land haben? Wollen Sie die Gewerkschaftsbewegung in diesem Land diffamieren? Oder geht es Ihnen – das will ich Ihnen gar nicht unterstellen, weil Sie ein überzeugter Gewerkschafter sind – tatsächlich um das, was ich vorhin gesagt habe, nämlich darum, solch eine billige Aktion zu machen, die mit der Lebensrealität aber nichts zu tun hat?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Nachdem wir eben etwas über Philosophie gehört haben, sage ich Ihnen: Es gibt einen Maßstab für gute Politik, den Max Weber geprägt hat. Danach sind die drei Eigenschaften guter Politik die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – das tun wir mit dieser Regelung, für die Menschen, die sie brauchen –, eine leidenschaftliche Überzeugung – in dieser Regelung steckt die sozialdemokratische Leidenschaft, dafür zu sorgen, dass Menschen, die hart arbeiten, davon leben können, die Leidenschaft, das Leben der Menschen konkret zu verbessern, die jetzt unter Armutslöhnen zu leiden haben – sowie das notwendige Augenmaß im politischen Handeln. Augenmaß umfasst auch die Fähigkeit zu guten Kompromissen in der Demokratie.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege Ernst, ich spreche Ihnen eines nicht ab, nämlich dass Sie eine leidenschaftliche Überzeugung haben; das ist auch in Ordnung. Was Ihnen fehlt, ist jede Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung und jede Fähigkeit, das richtige Augenmaß für einen politischen Kompromiss zu finden. Das ist der Grund, warum Sie in der Opposition bleiben.
(Beifall bei der SPD)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten haben Wort gehalten: Es wird den gesetzlichen Mindestlohn geben. Wir sorgen dafür, dass Menschen, die hart arbeiten, von der Arbeit leben können. Wir sorgen dafür, dass vor allen Dingen eines in diesem Land wieder nach vorne kommt – denn unser Ziel ist nicht, dass Menschen vom Mindestlohn leben müssen; unser Ziel ist, dass die Menschen wieder anständige Löhne bekommen –: Mit der Regelung, die wir gefunden haben, stärken wir die Tarifbindung, also das, was die soziale Marktwirtschaft in diesem Land einmal ausgemacht hat, gerade auch in den Bereichen Ostdeutschlands, in denen sie nicht mehr Realität ist. Deshalb sage ich Ihnen: Wir sind stolz auf das, was wir durchgesetzt haben.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Danke, Herr Kollege Hubertus Heil. – Ich gebe Michael Schlecht von den Linken das Wort zu einer Kurzintervention.