Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Hubertus Heil von der SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen haben bei der Landtagswahl am 20. Januar dieses Jahres den Wechsel gewählt. Sie haben der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen einen Regierungs- und Gestaltungsauftrag erteilt. Nach Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben CDU/CSU und FDP damit ein weiteres Bundesland verloren. Schwarz-Gelb regiert nur noch in drei Bundesländern. Ich füge hinzu: Im Herbst gibt es die Möglichkeit, dies in zwei weiteren Bundesländern, in Hessen und Bayern, zu ändern.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ohne Zweifel, Herr Steffel, sind die Wahlniederlagen Ihrer Ministerpräsidenten auch das Ergebnis einer verfehlten Politik in den Ländern, aus jeweils sehr spezifischen Gründen. Aber eines werden Sie den Menschen nicht ausreden können: Die dramatische Serie der Wahlniederlagen von Schwarz-Gelb ist auch ein dramatisches Misstrauensvotum der Menschen gegenüber dieser Merkel-Regierung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Warten Sie es ab! Es spricht die 23-Prozent-Partei!)
Nach meiner festen Überzeugung ist das auch kein Wunder. Schließlich ist Ihre Regierung die schlechteste Regierung seit 1949;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Die erfolgreichste!)
ich komme gleich darauf zurück.
Ich sage Ihnen: Den Schmerz in Ihren Reihen kann ich verstehen. Wahlniederlagen sind schmerzhaft. Wir haben das erlebt, und Sie, Herr Steffel, haben das hier in Berlin dramatisch erlebt. Wahlniederlagen tun wirklich sehr weh. Der Schmerz in Ihren Reihen muss so groß sein, dass Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Was immer der Grund dafür war, diese Aktuelle Stunde zu beantragen – es ist ein sehr durchsichtiger Grund; das war ja während Ihrer Rede spürbar –, Sie zeigen damit vor allen Dingen eines: Sie sind ganz schlechte Verlierer. Das mögen die Menschen nicht. Sie versuchen, die niedersächsische Landesregierung, die gerade einmal zwei Tage im Amt ist, mit Vorwürfen und Behauptungen zu überziehen. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, dass wir uns an zwei Stellen einmal mit diesen Vorwürfen auseinandersetzen können.
Fangen wir an mit der Finanzpolitik. Wie sieht denn die Bilanz von schwarz-gelber Regierungspolitik in Niedersachsen aus? Sie hinterlassen der neuen Landesregierung in Hannover eine Landesverschuldung von 60 Milliarden Euro; das ist das Ergebnis von zehn Jahren Regierung Wulff bzw. McAllister.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 20 Milliarden Euro Schulden in zehn Jahren! – Gegenruf des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Und locker 50 Milliarden von Ihnen!)
Ich sage Ihnen: Die Regierung von Stephan Weil, die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen, wird die Neuverschuldung konsequent zurückführen und die Schuldenbremse, die laut Grundgesetz auch für die Länder vorgesehen ist, einhalten, und zwar durch eine sparsame Haushaltspolitik.
Gleichzeitig müssen wir in Zukunft investieren, zum Beispiel in eine bessere Bildung unserer Kinder und Jugendlichen. Dafür trägt eine gerechtere Politik auf Bundesebene – in der Steuerpolitik – eine Mitverantwortung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Steffel, Sie können noch so sehr im Sound der Tea Party über die Steuern in diesem Land reden – Tatsache ist, dass, wenn Steuern und Abgaben zusammengezählt werden, herauskommt, dass in Deutschland die unteren und mittleren Einkommen die Hauptlast tragen. Deshalb ist es nicht schlimm, zu sagen, dass Menschen, die durch Spitzeneinkommen Vorteile in dieser Gesellschaft genießen, auch ein Stück mehr dazu beitragen sollen, die Haushalte zu konsolidieren und in die Zukunft dieses Landes zu investieren. Das zu diffamieren, ist ein durchsichtiges Spiel, Herr Steffel. Mit der Realität in Niedersachsen und in Deutschland hat das nichts zu tun.
Wir bekennen uns dazu: Wir wollen die öffentlichen Haushalte in Ordnung bringen. Angesichts eines veränderten Aufbaus unserer Gesellschaft müssen wir gleichzeitig mehr in Bildung und in Forschung und in die Infrastruktur in diesem Land investieren.
(Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Sparen statt Steuererhöhungen!)
Deshalb geht nicht zusammen, was Sie den Menschen versprechen: gleichzeitig mehr Geld auszugeben und mehr zu sparen und die Steuern zu senken. Dieser schwarz-gelbe Weg ist – das werden wir deutlich machen – zu Ende. Die Schuldenbremse verpflichtet die öffentliche Hand, auf der Ausgabenseite vernünftig zu haushalten, sie verpflichtet uns aber auch, dafür zu sorgen, dass Bund, Länder und Kommunen vernünftig finanziert sind. Angesichts verrottender Infrastruktur gerade in unseren Kommunen – das liegt an der falschen Politik Ihrer Regierung – sage ich Ihnen: Schauen Sie sich einmal an, was in den Kommunen Niedersachsens nach zehn Jahren schwarz-gelber Politik an öffentlicher Infrastruktur übrig geblieben ist und was verrottet ist und was alles geschlossen werden musste! Das bedroht das Zusammenleben der Menschen in den Kommunen. Doch dort entscheidet sich, ob der Zusammenhalt einer Gesellschaft gelingt.
Deshalb sage ich: Ja, wir sind für eine Politik mit Augenmaß, auch im Bereich der Steuer- und Finanzpolitik. Wir werden mit den Steuergeldern sparsam umgehen; aber wir wollen auch mehr in Bildung, Forschung und Infrastruktur investieren. Dafür brauchen wir einen angemessenen Beitrag der Spitzenverdiener in diesem Land.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweiter Punkt – präventiv; weil ich ahne, dass Herr Döring gleich für die FDP das Wort ergreifen wird –: In den letzten Tagen war allerlei zu lesen und zu hören, Rot-Grün wolle in Niedersachen das Sitzenbleiben abschaffen. Es kann sein, dass der eine oder andere von Ihnen da traumatische frühkindliche Erfahrungen gemacht hat. Ich sage Ihnen: Mit der Formulierung, die in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, ist etwas ganz anderes gemeint. Richtig ist, dass in meinem Heimatland Niedersachsen nach Studien der Bertelsmann-Stiftung – einem unabhängigen Institut – in schwarz-gelber Zeit ein trauriger Rekord in der Schulpolitik aufgestellt wurde: Das Abstufen nach unten in der Bildung hatte richtig Konjunktur, der soziale Aufstieg war in Niedersachsen besonders schwierig.
Deshalb wollen wir, wo immer es geht – durch die frühe und individuelle Förderung von Kindern, auch durch die Möglichkeit zu längerem gemeinsamem Lernen –, dafür sorgen, dass kein Kind zurückgelassen wird, dass jeder eine Chance auf sozialen Aufstieg durch Bildung bekommt. Wir wollen, dass Leistung und Talent sich entfalten können und nicht Herkunft in diesem Land zählt. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb ist es richtig, dass Rot-Grün in Niedersachsen die Studiengebühren, die Sie eingeführt haben, wieder abschafft. Inzwischen macht das ja Schule: Die CSU ist inzwischen auch auf die Idee gekommen, die Studiengebühren in Bayern infrage zu stellen.
Ich sage Ihnen zum Schluss: Es wird Ihnen nicht gelingen, Ihren Schmerz mit lauten Reden zu übertönen, Herr Steffel. Sie haben in vielen Städten und Ländern in Serie Wahlen verloren. Das wird sich fortsetzen. Der Grund liegt, wie gesagt, auch in Ihrer Bundespolitik. Ich werde Ihnen zum Schluss ein paar Fragen mit auf den Weg geben, die Sie beantworten müssen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Heil.
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Schlusskurve, Herr Präsident.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte.
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Ich frage Sie: Wer verweigert den Menschen in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn? Es ist die Merkel-Regierung. Wer hat ein unsinniges Betreuungsgeld eingeführt? Es ist die Merkel-Regierung. Wer versucht, durch ein Abkommen mit der Schweiz Steuerkriminelle zu schützen? Es ist die Merkel-Regierung.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
So, jetzt ist es aber gut.
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Das ist der Grund, warum wir im Herbst auf den Wechsel setzen – der jetzt eingeleitet wird mit den Wahlen in Niedersachsen und darüber hinaus.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)