Rede von Hubertus Heil zur Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht


Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich eröffne nun die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Hubertus Heil für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister für Wirtschaft, der Sie ja sein sollen, Herr Rösler,

(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist es!)

ich finde einen Satz in Ihrer launigen Rede von eben sehr bemerkenswert, nämlich den schönen Satz, es sei nicht schlimm, wenn Schauspieler Deutschland verließen. Ich sage Ihnen, es wäre gut, wenn schlechte Laiendarsteller diese Regierung verließen. Das sage ich Ihnen ganz deutlich

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Ha, ha, ha!)

Wenn es wirklich so wäre, Herr Rösler, dass die Wachstumsentwicklung in diesem Land etwas mit Ihnen zu tun hätte,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Mann, war das eine tolle Nummer! Ha, ha, ha!)

dann müssten wir einmal einen Blick auf die Wachstumsentwicklung in Ihrer Amtszeit werfen: Sie sind mit 3 Prozent gestartet, haben dann 0,7 Prozent gehabt, und müssen jetzt auf 0,4 Prozent herunter. Wenn es so wäre, dass Sie mit dem Wirtschaftswachstum in Deutschland etwas zu tun hätten, dann müsste man sagen: Durch Sie ist das Wachstum in Deutschland noch stärker geschrumpft als die Wahlergebnisse der FDP.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben hier keine Rede eines Bundeswirtschaftsministers erlebt, sondern die eines FDP-Vorsitzenden, der um sein nacktes Überleben als Politiker kämpft.

(Unruhe bei der CDU/CSU)

Das, Herr Rösler, ist angesichts der wirtschaftlichen Lage in diesem Land nicht angemessen.
Gucken wir uns die wirtschaftlichen Daten an! Sie mussten die Wachstumserwartung für dieses Jahr auf 0,4 Prozent herunterschrauben. Das hat nicht nur Gründe in Deutschland, sondern das hat vor allen Dingen damit zu tun, dass die Krise, die wir bis dato besser überstanden haben als andere Volkswirtschaften in Europa, jetzt nach Deutschland zurückkommt.
Wir als Exportnation erleben, dass die Nachfrage im Ausland, vor allen Dingen in der Euro-Zone, zusammengebrochen ist. Das hat Folgen für die deutsche Wirtschaft. Deshalb müssen Sie sich nicht zurechnen lassen, dass in anderen Ländern tatsächlich auch Fehler gemacht wurden – das ist nicht Ihr Problem –, aber Sie, Frau Merkel, haben in den letzten drei Jahren die Krise in -Europa nicht gelöst, sondern mit der Art und Weise, wie Sie sie gemanagt haben, diese Krise verschärft. Daher tragen Sie, Frau Merkel, die Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung, die jetzt nach Deutschland zurückkommt.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Heil, das glauben nicht einmal Ihre Wohnzimmerfreunde! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh, oh!)

Wir haben erlebt, dass Sie sich drei Jahre lang in Deutschland auf guten konjunkturellen Entwicklungen, auf Entscheidungen der Vorgängerregierung ausgeruht haben.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben keine Zukunftsvorsorge getroffen. Sie haben tatsächlich von dem Mut Ihrer Vorgängerregierungen für Veränderungen in diesem Land profitiert. Sie haben davon profitiert, dass die Große Koalition mit Olaf Scholz veränderte Regeln zur Kurzarbeit eingeführt hat, Sie haben davon profitiert, dass wir Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht haben. Das hat Deutschland in den letzten drei Jahren stabilisiert.

(Beifall bei der SPD)

Aber Sie, Herr Rösler, haben in diesen Jahren die Chance verpasst, sich für schwierigere Zeiten zu wappnen. Ich kann Ihnen das an einzelnen Stellen nachweisen. Sie haben es ja geschafft, nach drei Jahren guter konjunktureller Entwicklung und nach recht positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt jetzt bei der Bundesagentur für Arbeit ein Milliardendefizit in die Kasse zu reißen.

(Zuruf von der FDP: Quatsch!)

Sie müssen sich fragen lassen, ob das tatsächlich das ist, was wir brauchen; denn möglicherweise brauchen wir wieder veränderte Regeln zur Kurzarbeit, und zwar weit über das hinaus, wie Sie jetzt zaghaft einräumen, was in diesem Land notwendig ist. Es ist sinnvoller, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Deshalb werden wir entsprechende Vorschläge in den Deutschen Bundestag einbringen.

(Beifall bei der SPD)

Was haben Sie in drei Jahren guter konjunktureller Entwicklung mit der Art und Weise, wie Herr Schäuble mit dem Haushalt umgegangen ist, gemacht? Sie hätten die Neuverschuldung in diesem Land stärker senken können, aber Sie haben mit Buchungstricks versucht, Ihre Haushaltszahlen zu schönen, indem Sie beispielsweise die Kasse der Kreditanstalt für Wiederaufbau plündern, und zwar gegen die über Jahrzehnte hinweg praktizierte Übung.

(Ulrich Kelber [SPD]: Bankraub ist das! – Patrick Döring [FDP]: SPD-Vorschläge!)

Die KfW, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, wird in Zukunft dringend gebraucht, und die braucht tatsächlich Unterstützung in diesem Land und keinen Bundesfinanzminister, der seine klebrigen Finger in das Portfolio der KfW steckt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Mann, sind Sie ein primitiver Kerl!)

Nein, meine Damen und Herren, Zukunftsvorsorge sieht anders aus. Wir brauchen eine aktive Wirtschaftspolitik, die jetzt anpackt,

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hände weg von der KfW!)

die auch dafür sorgt, dass das, was strukturell in diesem Land notwendig ist, stattfinden kann. Die deutsche Wirtschaft muss wettbewerbsfähig bleiben, gar keine Frage. Dafür brauchen wir stärkere Unterstützung für Investitionen in Deutschland, beispielsweise steuerliche Forschungsförderung; die haben Sie versprochen, aber an dieser Stelle eben nicht geliefert.
Wir brauchen nicht nur eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit, sondern wir bleiben in Deutschland auch hinsichtlich der Binnennachfrage weit unter unseren Möglichkeiten. Der Schlüssel dazu sind nicht irgendwelche Stellschrauben allein im Steuersystem, der Schlüssel dazu ist, dafür zu sorgen, dass wir eine faire Entwicklung bei Löhnen und Gehältern in diesem Land bekommen. Wir brauchen eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt, damit die Menschen tatsächlich faire Löhne bekommen. Das stützt die Kaufkraft und die Binnennachfrage in diesem Land. Auch das verweigert diese Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Ihr wollt doch mehr Inflation!)

Ich schaue einmal in diesen Jahreswirtschaftsbericht, in dieses Dokument Ihrer Untätigkeit, und zitiere mit der Erlaubnis des Herrn Präsident aus dem Bericht, Seite 47. Frau Merkel, hören Sie gut zu; denn das ist kennzeichnend für Ihre Regierung.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie arroganter Kerl, Sie! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

– Sie werden erlauben müssen, dass eine Opposition einer Regierung aus Ihrem eigenen Bericht vorliest. Oder macht Sie schon das nervös?

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Führen Sie sich nicht auf wie ein Oberlehrer! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aufgeblasener Kerl! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das Niveau von Eierlikör!)

Ich lese Ihnen einen Satz auf Seite 47 vor – Zitat –:
Die Meinungsbildung zu einer allgemeinen gesetzlichen Lohnuntergrenze ist innerhalb der Regierungskoalition nicht abgeschlossen.
Wie lange diskutieren wir in Deutschland über den gesetzlichen Mindestlohn? Sie müssen hier vorankommen. Sie sind eine Koalition der wechselseitigen Blockade. Aber Sie schaffen keinen gesetzlichen Mindestlohn in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Heil, darf Ihnen der Kollege Lindner eine Zwischenfrage stellen?

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Bitte schön.

Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP):
Herr Kollege Heil, ich stelle Ihnen eine Frage, weil Sie uns gerade erzählten, dass diese Koalition nicht für Schuldenabbau steht. – Haben Sie heute den General-Anzeiger Bonn gelesen? Minister Walter-Borjans – kennen Sie den? – sagt: Schulden sind kein Drama. – Das ist die Überschrift. – Er sprach davon, dass es in Deutschland ein gesundes Verhältnis von Schulden, Vermögen und Einkommen gebe. Die gesamten Schulden beliefen sich auf etwa 6 Milliarden Euro. Er wolle damit nicht sagen, dass die Landesschulden nicht zurückgezahlt werden müssten. Aber das sei alles gar kein Problem. Problematisch sei es, wenn die Menschen das Gefühl hätten, dass sie das Geld nicht mehr zurückbekämen, das sie dem Staat liehen.
Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie uns hier erzählen. Dort, wo Sie Verantwortung tragen, in Nordrhein-Westfalen und anderswo, machen Sie genau das Gegenteil dessen, was Sie gesagt haben: noch mehr Schulden und eine Aushebelung der Schuldenbremse. Sie wollen Inflation, Sie bekennen sich zur Inflation. Aber das ist genau das Gegenteil von dem, was der Mittelstand, die Mittelschicht braucht. Die Mittelschicht in Deutschland legt ihr Geld in Lebensversicherungen und Barvermögen an. Das unterscheidet übrigens die Mittelschicht in Deutschland von der US-Mittelschicht.
Wenn Sie hier diesen Kurs in Deutschland realisieren, sei es in Niedersachsen oder sonst wo, dann entwerten Sie das Vermögen der ganz normalen Menschen in der Mittelschicht, die hart für dieses Geld gearbeitet haben. Das ist die Wahrheit. Das ist der große Unterschied zu dem, was Sie uns hier erzählen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Sind Sie zu Ende, Herr Lindner?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Ich kenne den Artikel aus dem General-Anzeiger! Das ist ein falsches Zitat!)
Herr Dr. Lindner, ich danke Ihnen für die Gelegenheit, auf diese – ich sage es einmal so – Zwischenbemerkung

(Jörg van Essen [FDP]: Zwischenintervention!)

– auf diese Zwischenintervention – zu antworten. Das mache ich sehr gern. Ich will Ihnen Folgendes sagen: Was den Bundeshaushalt betrifft, so haben Sie die Chance verpasst, tatsächlich dafür zu sorgen, dass wir von der hohen Neuverschuldung in Deutschland herunterkommen. In Zeiten guter konjunktureller Entwicklung haben Sie Folgendes gemacht: Sie haben mit Ihrer Hotelsteuer Klientelinteressen bedient.

(Zurufe von CDU/CSU und FDP: Ah!)

Sie haben gleichzeitig mit dem unsinnigen Betreuungsgeld 2 Milliarden Euro verschleudert. Sie verschleudern Steuergeld, weil Sie den Mindestlohn nicht einführen. Was ist denn die Realität? Die Realität ist, dass immer mehr Menschen in Deutschland zwar Vollzeit arbeiten, aber sich dann ergänzend dazu Arbeitslosengeld II, also Steuergeld, vom Amt abholen müssen.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sagen Sie mal etwas zu dem, was ich gesagt habe!)

Wir sagen: Mit einem Mindestlohn hätten wir Steuermehreinnahmen für Investitionen. Diese Investitionen sind bei Kommunen, Ländern und im Bund notwendig: in Schulen, in Bildung, in Infrastruktur. Diese Möglichkeiten verspielen Sie mit der Art und Weise, wie Sie Politik gemacht haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben das Ergebnis von drei Jahren guter Konjunktur verfrühstückt. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb, Herr Lindner, herzlichen Dank für diese Gelegenheit.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie sagen nichts zu Ihrem Minister!)

Wenn wir über die wirtschaftspolitische Bilanz von Herrn Rösler und dieser Bundesregierung reden, dann müssen wir auch über Energiepolitik in diesem Land reden. Herr Rösler, Sie haben eben gesagt: man müsste einmal, man sollte einmal. Deutschland könnte mit einer gelungenen Energiewende, die im Kern eine Riesenchance für dieses Land ist, in einer Welt, die einen großen Energiehunger hat, Ausrüster der Welt sein: bei erneuerbaren Energien, bei Energieeffizienz, bei modernen Energieversorgungssystemen.
Sie haben in Ihrer Amtszeit aus der Chance der Energiewende ein wirtschaftliches und ein soziales Risiko für Deutschland gemacht. Die Strompreise steigen, die Versorgungssicherheit ist gefährdet, und Rösler und Altmaier als Mitglieder dieser Bundesregierung zanken sich wie zwei Kinder um – –

(Zurufe von der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Der Streit ist so schlimm! Da kann man sich mal verhaspeln!)

– Das passiert Ihnen natürlich nie. Herr Hinsken, es regt mich wirklich auf, wie sich Herr Altmaier und Herr Rösler wechselseitig blockieren, wenn es um die notwendigen Maßnahmen geht. – Wo ist denn Ihr Masterplan zur Energiewende? Die Art und Weise, wie Sie die Energiewende gegen die Wand fahren, wird zu einem wirtschaftlichen Risiko in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Strompreise sind dramatisch gestiegen, insbesondere für Unternehmen, die nicht von den Ausnahmeregelungen profitieren, die Sie auf eine Art und Weise ausgeweitet haben, die nur noch unsinnig zu nennen ist. Die Stromzahler, die Verbraucher und diese Unternehmen, haben die Kosten dafür zu wuppen. Wir erleben, dass es zum sozialen Problem wird, wenn Strompreise steigen.
Wo sind Ihre Sofortmaßnahmen, und wo ist Ihr Masterplan, um die Energiewende zum Erfolg zu führen? Nein, Herr Rösler, das nenne ich Energiewendeversager. In der Art und Weise, wie Sie das machen, werden Sie zum wirtschaftlichen Risiko. Wenn Sie das nicht glauben, dann fahren Sie einmal in unsere niedersächsische Heimat und informieren sich darüber, wie gerade die SIAG Nordseewerke in die Insolvenz getrieben wurden, weil Sie die Planungs- und Investitionssicherheit für die Energieversorgung in Deutschland kaputtgemacht haben. Das ist die Schadensbilanz Ihrer Energiepolitik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unterm Strich erleben wir zurzeit eine Situation, die wir realistisch einschätzen müssen. Deutschland hat gute Voraussetzungen, aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Aber das liegt nicht an dieser Bundesregierung, sondern daran, dass wir in diesem Land eine breite industrielle Wertschöpfungskette haben: von den Grundstoffindustrien über die kleinen und mittelständischen Unternehmen bis zu den Hightechschmieden.
Wir haben in Deutschland die Möglichkeit, mit der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, die es bei uns gibt, vernünftige Lösungen zu finden. Was wir brauchen, ist eine politische Rahmensetzung und eine aktive Wirtschaftspolitik, die diese Voraussetzungen und Chancen nutzt. Wir dürfen nicht zugucken, wie die Energiepreise steigen und eine Spaltung von Gesellschaft und Arbeitsmarkt entsteht.
Zum Thema Fachkräftesicherung habe ich eben nur warme Worte gehört, Herr Rösler. Was ist denn notwendig, um die Spaltung am Arbeitsmarkt abzuwenden? Wir haben zurzeit die Situation, dass auf der einen Seite immer mehr Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, in einzelnen Regionen händeringend qualifizierte Fachkräfte suchen und auf der anderen Seite Menschen in prekärer Arbeit und Langzeitarbeitslosigkeit abgehängt sind. Diese Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, wäre Aufgabe dieser Bundesregierung. Aber Sie legen nichts vor. Im Gegenteil: Sie vertiefen die Spaltung, weil Sie die prekäre Arbeit in Deutschland mit Ihren unsinnigen Maßnahmen zu den Minijobs noch ausweiten, weil Sie sich dem Mindestlohn verweigern und weil Sie keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen und für Stamm- und Leihbelegschaften in Unternehmen ermöglichen. Das ist der Zusammenhang. Sie haben nicht begriffen, dass wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit keine Gegensätze, sondern wechselseitige Bedingungen sind. Wir brauchen eine vorausschauende Wirtschaftspolitik, die die Chancen dieses Landes nutzt, statt zuzugucken, wie die Gesellschaft dabei zerfällt.
Herr Rösler, wenn ich daran denke, welche Gesetzgebungsinitiativen Sie in den letzten drei Jahren an die Wand gefahren oder gar nicht erst ergriffen haben,

(Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)

dann muss ich sagen: Wir haben leider Gottes im Moment einen Totalausfall im Bundeswirtschaftsministerium, der zum Risiko für dieses Land wird. Deshalb brauchen wir den Politikwechsel in der Wirtschaftspolitik in Deutschland.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben einen Totalausfall ganz woanders! Schauen Sie mal Ihre Totalausfälle an! Die sitzen heute hier!)

– Herr Kauder, angesichts Ihrer Zwischenrufe müssen Sie heute wirklich sehr nervös sein.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein! Ich bin ganz fröhlich!)

Ich sage Ihnen, Herr Kauder: Wenn wir ernsthaft über die wirtschaftliche Situation in diesem Land diskutieren wollen, dann werden auch Sie in diesem Zusammenhang nicht bestreiten können, dass wir einen Bundeswirtschaftsminister haben, der ein Problem für diese Koalition geworden ist. Er ist mehr mit der Krise seiner Partei als mit der Krise der Wirtschaft beschäftigt. Das nimmt viel Arbeitskraft weg.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Er macht das ausgezeichnet!)

Wenn andere Teile der Regierung das kompensieren würden, wäre es gut. Aber die Wahrheit ist: Sie sind eine Koalition, die sich bei den Themen wechselseitig blockiert. Beim Mindestlohn sagen die einen hü, die anderen hott. Bei der Fachkräftesicherung gibt es keine Initiative, bei der Energiewende wechselseitige Blockaden, bei der steuerlichen Forschungsförderung einen Totalausfall, und bei der Krise, die wir in Europa zu bewältigen haben, gab es – daran sei erinnert – das unverantwortliche Gerede durch den Bundeswirtschaftsminister im vergangenen Jahr, das die Krise eher verschärft hat.

Nein, meine Damen und Herren, wir brauchen den Politikwechsel in der Wirtschafts- und in der Sozialpolitik in Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Der Jahreswirtschaftsbericht ist ein Dokument der Handlungsunfähigkeit dieser Regierung. Wir müssen darüber reden, wie wir in dieser Gesellschaft die Chancen, die wir haben, tatsächlich nutzen können. Deutschland ist bisher Gott sei Dank ein starkes Land.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Dank dieser Regierung! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Weil Sie auf der Oppositionsbank sitzen, sind wir stark!)

– Deutschland ist ein starkes Land trotz dieser Regierung, Herr Hinsken. – Wir brauchen schleunigst den Wechsel im Land. Wir brauchen veränderte Mehrheitsverhältnisse. Durch die Niedersachsenwahl am Sonntag ist das im Bundesrat schon möglich. Aber wir brauchen sie auch im Bund,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wird nicht funktionieren!)

damit Deutschland wirtschaftlich wieder auf Erfolgskurs kommt, statt bei 0,4 Prozent Wachstum weiterzudümpeln. Sie nehmen Wirtschaftspolitik nicht ernst. Genau das ist Ihr Problem.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Ha, ha, ha!)