Rede von Hubertus Heil zur Frauenquote


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Hubertus Heil das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kolb, wir sollten uns eines nicht wechselseitig unterstellen – ich sage das in aller Ernsthaftigkeit – –

(Zurufe von der FDP: Oh!)

– Hören Sie doch erst einmal zu und seien Sie nicht gleich so nervös.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Aber wir kennen Sie!)

Herr Kolb, wir kennen uns ein bisschen und schätzen uns durchaus persönlich, aber eines will ich Ihnen sagen: Keiner von uns sollte die Tatsache, dass zwischen Ressorts, zwischen Koalitionspartnern und innerhalb demokratischer Parteien diskutiert wird, für Diffamierungen nutzen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

– Moment! Hören Sie gut zu! – Das tut niemand; das sollte auch niemand tun, weil dann ein falsches Bild entsteht. Hier geht es nicht um Kasernenhöfe, hier geht es um demokratische Parteien. Aber eines ist auch klar: Wer regiert, der sollte nicht nur diskutieren, sondern der muss auch irgendwann auf den Punkt kommen!

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das möchten wir heute ansprechen: Sie kommen in dieser Koalition nicht auf den Punkt, Herr Kolb. Da können Sie uns nichts vormachen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich an einem Beispiel Folgendes verdeutlichen: Als wir mit Rot-Grün an der Regierung waren, haben wir diskutiert, manchmal sogar heftig gestritten; das will ich gerne einräumen. Beim Thema Energiepolitik beispielsweise war zwischen Werner Müller und Jürgen Trittin nicht immer eitel Sonnenschein – gar keine Frage. Da gab es unterschiedliche Ressortlogiken in den Bereichen Umwelt und Wirtschaft. Aber es gab einen Unterschied zu Ihrer Regierung: Am Ende des Tages wurden Entscheidungen gefällt, gerade weil man diskutiert und dann entschieden hat. Vom damaligen Kanzleramt wurde eine koordinierende Funktion wahrgenommen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab ein Ganztagsschulprogramm und kein Betreuungsgeld!)

Das fehlt dieser Koalition: politische Führung.

(Thomas Oppermann [SPD]: So ist es! – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie machen nichts anderes als Selbstblockade und Klientelpolitik. Das ist der Unterschied zu unserer Arbeit, meine Damen und Herren. In einer Demokratie müssen Sie es sich gefallen lassen, von der Opposition darauf angesprochen zu werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drei Jahre lang herrschte Stillstand. Wenn es einmal vorangegangen ist, lief das wie beim Basarhandel: Jeder darf sich einen Keks aus der Schublade nehmen. Die FDP hat sich die Hotelsteuer gegriffen und die CSU das Betreuungsgeld. Das ist aber keine ordentliche Regierungsführung, das ist Basarhandel und nicht das, was unser Land braucht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wiederhole: Kein Mensch diskreditiert das Ringen um gute Lösungen in Parteien, Koalitionen oder zwischen Ministerien – das gehört zur Demokratie dazu –, aber es muss Ihnen doch bewusst sein, dass Sie auch noch nach drei Jahren um dieselben Themen und Begriffe kreisen und es trotzdem nicht schaffen, eine anständige Gesetzgebung hinzubekommen.
Herr Kolb, Sie haben die Verhandlungen angesprochen, die wir nächtelang geführt haben. Dabei ging es um drei Themen: Es ging um das Bildungspaket, es ging um die Regelsätze, und es ging um Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt.
Zum Thema Mindestlohn. Wir haben eine Bundesministerin, nämlich Frau von der Leyen – dass ich diesen Punkt anspreche, werden Sie sich schon gefallen lassen müssen –, der es in der Debatte möglicherweise mehr um den öffentlichen Effekt geht als um die Sache. Dass dieser Begriff ständig im Mund geführt wird, ohne dass tatsächlich Fortschritte beim gesetzlichen Mindestlohn zu verzeichnen sind, das enttäuscht viele Menschen in unserem Land. Dass es dazu nicht kommt, dafür tragen Sie von CDU/CSU und FDP die Verantwortung. Ein Jahr vor der Wahl hören Sie gänzlich auf, Politik zu machen. In der Koalition geht es Ihnen nur noch um das Profil von FDP, CDU oder CSU. Thomas Oppermann hat es vorhin so beschrieben: eine Zeit, die diesem Land gestohlen wird.
Wir haben Ihnen die Regierung in einer Zeit übergeben, in der wir schwierige Aufgaben gelöst hatten, auch im Streit und durch Konflikte miteinander, und wir haben einen hohen Preis dafür gezahlt. Aber am Ende sind wir immer in der Lage gewesen, zu politischen Ergebnissen zu kommen. Sie aber verweigern die politische Arbeit, weil die einzelnen Koalitionspartner nur noch an das Überstehen der nächsten Wahl denken, aber nicht mehr an den Fortschritt in unserem Land.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das Thema Frauenquote ist ein Beweis dafür: Die einen reden so und die anderen reden so, und es kommt nichts dabei heraus. Das Thema Mindestlohn ist ein weiterer Beweis dafür: Die einen reden so und die anderen reden so. Auch beim Thema Betreuungsgeld gilt: Die einen reden so und die anderen reden so. – Beim letzten Punkt ist Ihnen wirklich zu wünschen, dass dabei nichts herauskommt. In diesem Zusammenhang wäre eine Blockade einmal eine gute Sache. Aber ob Sie den Mut haben, die Mehrheit, die es im Volk gegen diesen Unsinn gibt, zu einer Mehrheit hier im Hause zu machen, ist zu bezweifeln. Am Ende des Tages wird sich jeder wieder einen Keks aus der Schublade nehmen.
Am Ende muss die Bundeskanzlerin die Verantwortung dafür tragen, dass das alles nicht zusammengeführt wurde. Ich sage Ihnen: Eine Bundeskanzlerin, die so tut, als hätte sie mit ihrer eigenen Regierung nichts zu tun, hat Deutschland noch nicht gesehen. Frau Merkel trägt die Verantwortung dafür, dass unser Land drei Jahre lang durch Führungslosigkeit gelähmt wurde. Wir werden das nächstes Jahr ändern.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)