„Wohlstand, Wachstum, Beschäftigung“ von Hubertus Heil, Michael Dauderstädt und Arne Heise in: Fortschritt und Soziale Demokratie (2011), Hrsg.: Friedrich- Ebert- Stiftung, S. 32-43

Die Debatte um Wachstumskritik oder -skepsis ist nicht neu. Es gibt den berühmten Ausspruch von Robert Kennedy im Jahre 1968, dass das Bruttoinlandsprodukt alles Mögliche misst, nur nicht das, was das Leben lebenswert macht. So schlägt sich im BIP kurzfristig einiges positiv nieder, was wir langfristig gar nicht so schön fi nden. Warum hat die Debatte der Wachstumsskepsis der späten 60er und frühen 70er Jahre jetzt politisch Konjunktur? Ich glaube, dass das mit vier krisenhaften Erscheinungen zu tun hat.

Wir haben zum einen die Finanzkrise, die noch nicht vorbei ist, auch wenn die Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt nicht so dramatisch waren wie es bei einem Minus von fünf Prozent des BIPs zu erwarten gewesen wäre. Aber wenn man die Folgen für die Staatsfinanzierung und die anhaltenden Spekulationen betrachtet, die im Moment beispielsweise gegen Italien laufen, dann muss man feststellen: Diese Finanzkrise ist Ausdruck eines Wachstumsmodells, das auf kurzfristiges und möglichst hohes BIP-Wachstum zielt, langfristig aber volkswirtschaftlich eher zerstörerische Folgen hat.

Um es an einem praktischen Beispiel deutlich zu machen: Vor zehn, fünfzehn Jahren ist uns die
irische Volkswirtschaft als großes Beispiel genannt worden. Wenn man vor zehn, fünfzehn Jahren mit jungen Labour-Abgeordneten diskutiert hat, haben sie uns gesagt: „Ihr Deutschen seid ja verrückt. Ihr habt noch eine industrielle Basis, ihr produziert Güter. Das ist nicht mehr die Zukunft, stellt das alles ins Museum. Die Zukunft liegt im Dienstleistungsbereich, vor allen Dingen bei Finanzdienstleistungen.“ Heute erleben wir, wo der keltische Tiger gelandet ist. Das irische Modell ist kein Modell mehr, sondern Ausdruck von Krise. Die Debatte, ob wirtschaftliches Wachstum zu Wohlstand einer Gesellschaft führt, ist durch die Finanzkrise aktueller geworden.

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