Rede von Hubertus Heil zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Hubertus Heil hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die Debatte begonnen hat, war ich sehr hoffnungsfroh, weil neben der Einbringung des Gesetzentwurfs durch Frau Künast und neben den Redebeiträgen von den Kollegen aus meiner Fraktion Sie, Frau Winkelmeier-Becker, vielen meiner Kolleginnen und Kollegen mit der Beschreibung Ihrer Position durchaus aus dem Herzen gesprochen haben. Ich hatte gehofft, dass sich bei Ihnen an diesem Punkt etwas bewegt hat, muss aber leider feststellen, dass Sie offensichtlich weder für die Mehrheit Ihrer Fraktion noch für die Koalition sprechen;

(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Wie kommen Sie denn darauf?)

denn dann haben wir die Rede des Kollegen Buschmann gehört.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Der ist nicht Teil unserer Fraktion!)

Kollege Buschmann, da wir hier über Führungskräfte reden, muss ich Ihnen eines sagen: Die Idee Ihrer Fraktion, Sie mit diesem Weltbild in dieser Debatte reden zu lassen, ist die schlechteste Personalentscheidung, seit Caligula sein Pferd zum Konsul ernannt hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Marco Buschmann [FDP]: Das ist das beste Kompliment aus Ihrem Mund!)

Ich sage Ihnen das ganz deutlich, und ich mache das auch an zwei, drei Beispielen fest; denn Sie haben sich offensichtlich mit vielem beschäftigt, aber nicht mit der Sache.
Man darf sich nicht nur die Situation in Norwegen anschauen, sondern muss auch andere europäische Länder, die mittlerweile nachziehen, in den Blick nehmen.

(Marco Buschmann [FDP]: Wo gibt es denn eine verbindliche Quote?)

– Ich will Ihnen das sagen.

(Marco Buschmann [FDP]: Nicht Gesetzgebungsverfahren! In Kraft getreten!)

– Darf ich Ihnen ganz kurz antworten? Seien Sie mal nicht so nervös. Wir können das vernünftig miteinander besprechen.

(Otto Fricke [FDP]: Wo gibt es das?)

In Norwegen gibt es Erfolge.

(Marco Buschmann [FDP]: Kein Beispiel! Kein Beleg!)

Ihr Argument gegen Norwegen ist, dass dort Männerseilschaften durch Frauenseilschaften ersetzt werden. Dazu sage ich nur: Wenn schon Seilschaften, dann gleiches Recht für alle. Das gilt auch für die private Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Marco Buschmann [FDP]: Keine Erfahrungswerte!)

Die Niederlande werden nachziehen, Spanien wird nachziehen und andere auch.
Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Buschmann: Sie führen immer das Argument an, es gehe einzig und allein um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Unabhängig davon, dass es bei diesem Thema nicht nur um Frauen, sondern auch um Männer geht,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marco Buschmann [FDP]: Da hat keiner widersprochen!)

sage ich Ihnen: Nach Ihrer Logik, nach der das der einzige Grund dafür ist, dass nicht mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten sitzen, müssten die Vorstände und Aufsichtsräte voller kinderloser Frauen sein, die es in Deutschland auch gibt. Aber das ist nicht der Fall.

(Marco Buschmann [FDP]: Das haben wir schon gehört!)

Deswegen müssen Sie sich von Ihren Kolleginnen – hinter Ihnen sitzt eine, die sich vielleicht besser auskennt; auch neben Ihnen sitzt eine – eines sagen lassen – für uns Geschlechtsgenossen ist das kein Ruhmesblatt –: Neben dem Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt es auch eine strukturelle Diskriminierung von Frauen, was ihren Aufstieg in Führungspositionen in der Privatwirtschaft betrifft, und das ist nicht in Ordnung.
Ihre Häme mir gegenüber ist vergleichbar mit der Häme, die Thomas Sattelberger von der Telekom zu spüren bekommen hat, als er bei der Telekom die Quote eingeführt hat.

(Marco Buschmann [FDP]: Wer hat denn mit Häme begonnen? Lächerlich!)

Das ist die Häme von Männern, die es nicht begriffen haben. Gott sei Dank gibt es auch andere.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit und des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, nach dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich, sondern das ist schlicht und ergreifend auch eine Frage der ökonomischen Vernunft; das sage ich als Wirtschaftspolitiker.
Frau Winkelmeier-Becker, ich räume ein, dass das, was Sie beschrieben haben, richtig ist. Der Debattenstand in meiner Partei und der damaligen Regierung entsprach vor zehn Jahren – das haben Sie zu Recht kritisch angemerkt – genau dem, der jetzt in Ihrer Fraktion vorherrscht. Man hat gehofft, mit freiwilligen Vereinbarungen in diesem Bereich voranzukommen.

(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Das haben Sie doch auch gemacht! – Gegenruf der Abg. Christel Humme [SPD]: Zuhören!)

– Frau Pawelski, hören Sie doch einmal einen Moment zu, damit wir das Argument austauschen können. Ich weiß, dass auch Sie das Richtige wollen. – Damals gab es bei uns ganz viele, die gesagt haben: „Wir müssen versuchen, das auf freiwilliger Basis durchzuführen“, und Argumente der FDP und der CDU/CSU genutzt haben. Wenn man aber merkt, dass sich in zehn Jahren zu wenig bewegt hat – die Zahlen liegen ja vor –, dann ist es Zeit, Frau Winkelmeier-Becker, nicht wiederum auf die Freiwilligkeit zu setzen, sondern dann müssen Taten folgen. Lassen Sie uns das gemeinsam machen.

(Marco Buschmann [FDP]: Sie wollen immer nur dann Taten, wenn Sie keine Verantwortung tragen!)

Ich habe nicht nur die Sorge, dass Sie in Ihrer Fraktion in der Minderheit sind, sondern ich befürchte angesichts der Äußerungen, die Ihre Ministerin, Frau Schröder, in der Süddeutschen Zeitung getätigt hat,

(Marco Buschmann [FDP]: Vorhin war es noch die taz!)

und angesichts der Äußerungen aus dem Ministerium, nach denen Sie nicht einmal einen Stufenplan vorhaben – weder einen Plan noch eine Stufe –, dass sich unter Ihrer Ministerin gar nichts bewegt, es nur Appelle und freiwillige Vereinbarungen gibt. Ich sage Ihnen nicht nur im Interesse der Frauen in diesem Land, sondern explizit im Interesse des Standorts Deutschland: Trauen Sie starken Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten etwas zu. Es wird nicht zum Schaden unseres Landes sein. Norwegen macht uns das vor. Wir sollten diesen Weg weitergehen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Marco Buschmann [FDP]: Wie geht es weiter?)

– Das kann ich Ihnen sagen: Schweden,

(Otto Fricke [FDP]: Freiwillig!)

Niederlande,

(Otto Fricke [FDP]: Freiwillig!)

Spanien.

(Otto Fricke [FDP]: Freiwillig!)

Alle gehen diesen Weg.

(Marco Buschmann [FDP]: Alle freiwillig!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das hatte schon fast die Qualität einer Kurzintervention, da Sie noch einmal an das Rednerpult zurückgegangen sind.