Rede von Hubertus Heil zum Haushaltsbegleitgesetz 2011


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Hubertus Heil für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Michelbach, Sie haben in Ihrer Analyse, wie es dazu kam, dass wir jetzt in Deutschland eine gesamtstaatliche Haushaltskonsolidierung vornehmen können, vollkommen recht. Wir können miteinander feststellen, wie Deutschland im Jahr 2008 dastand. Im Jahr 2008 unter der Ägide von Finanzminister Peer Steinbrück gab es, gesamtstaatlich gesprochen, ausgeglichene Haushalte in Deutschland. Herr Kampeter, unter der Ägide des Vorgängers von Herrn Schäuble hätten wir ohne Finanzkrise im Jahre 2010/2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt. Ich will das an dieser Stelle einmal sagen. Es geht darum, klarzustellen, was uns eingebrockt hat, dass der Staat Konjunkturprogramme auflegen musste und Einnahmeausfälle hatte: Es ist einzig und allein die Finanzkrise.

(Beifall bei der SPD)

Wir kommen deshalb nicht umhin, zu sagen, Herr Kollege Fricke: Es ist ein Armutszeugnis, dass Sie den Sektor, der am Entstehen dieser Krise beteiligt war, bei der Bemühung um Haushaltskonsolidierung vollständig außer Acht lassen. Ich wiederhole: Sie lassen ihn vollständig außer Acht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Tun wir ja nicht! Stimmt doch nicht!)

Nicht eine Maßnahme in diesem Haushaltsbegleitgesetz bezieht diejenigen mit ein, die diese Krise verursacht haben. Im Gegenteil: Sie halten sich schadlos an denjenigen, die zum Entstehen dieser Krise nichts beigetragen haben: Sie sparen bei Rentnern, Sie sparen bei Alleinerziehenden, Sie sparen bei Langzeitarbeitslosen. Dass das Menschen in diesem Land als ungerecht empfinden, das können Sie doch nicht leugnen.
(Otto Fricke [FDP]: Wo sparen wir denn bei Rentnern?)

Herr Fricke, ich habe Ihrer Rede und der von Herrn Kampeter aufmerksam zugehört. Das Lieblingswort – fast ein Gummiwort im parlamentarischen Betrieb; das muss man leider sagen – ist der Begriff der Nachhaltigkeit.

(Abg. Otto Fricke [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Herr Fricke, wenn Sie sich ein wenig später melden, beantworte ich Ihre Zwischenfrage gerne. Einen kleinen Moment noch! – Nachhaltigkeit ist, wie ich schon sagte, zu einem Gummiwort geworden. Alles ist nachhaltig geworden. In der Werbung gibt es schon nachhaltigen Joghurt. Fragen wir einmal, was der Begriff „nachhaltig“ meint. Dieses Wort kommt aus der Forstwirtschaft, und es bedeutet: Man sollte nicht mehr aus dem Wald ausschlagen, als nachwachsen kann.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)

Gerade deshalb stellt sich die Frage, warum Sie in diesem Haushaltsbegleitgesetz genau da die Axt ansetzen, wo es um Investitionen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft geht. Beispiele lassen sich nennen.
Wenn wir den Weg der Haushaltskonsolidierung beschreiten wollen, Herr Kollege Kampeter, dann werden wir uns um Ausgabendisziplin kümmern müssen – gar keine Frage –, dann werden wir uns um die Einnahmebasis der öffentlichen Hand kümmern müssen – keine Frage –; aber wir werden das Ganze nicht ohne ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen. Wenn wir uns die Ökonomie in diesem Land anschauen, dann erkennen wir, dass wir Probleme haben, was die Investitionsquoten der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft betrifft.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!)

All das, was wir in der Vergangenheit getan haben, um in diesem Bereich zu mehr Investitionen zu kommen, beschneiden Sie in diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD)

Ein Stichwort ist „Städtebau“. Sie streichen bei der energetischen Gebäudesanierung, obwohl Sie sie für Ihr Klimapaket brauchen. Das Achtfache dessen, was die öffentliche Hand dort einsetzt, wird in der privaten Wirtschaft für Investitionen mobilisiert. Sie streichen beim Marktanreizprogramm, und Sie verzichten vollständig auf das, was Sie noch im Koalitionsvertrag vollmundig angekündigt haben, nämlich auf die steuerliche Forschungsförderung, mit der wir durch Innovationen tatsächlich auf einen nachhaltigen Wachstumspfad kommen können. Sie sparen an Zukunft, und Sie sparen ungerecht. Das ist unser Vorwurf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt Alternativen. Herr Kollege Fricke, Sie stellen sich hierhin und erklären Sozialdemokraten, die mit Peer Steinbrück und anderen den Weg zur Haushaltskonsolidierung in diesem Land geebnet haben, dass sie die Staatsfinanzen nicht in Ordnung bringen wollen. Was für ein Popanz! Es war doch diese schwarz-gelbe Bundesregierung, die kurz nach der Bundestagswahl 2009 erst einmal nichts Besseres zu tun hatte, als Klientelgeschenke, etwa die Hotelsteuer, an die eigene Klientel, zum Beispiel an die reichen Erben und die großen Konzerne, auszureichen.

(Otto Fricke [FDP]: Kindergeld!)

Nichts anderes haben Sie an dieser Stelle gemacht.

Wenn Sie das als falsch erkannt haben – Herr Fricke, ich weiß, in Ihrem Herzen finden Sie diese Hotelnummer doch genauso peinlich wie der Rest der deutschen Öffentlichkeit –, dann hätten Sie bei diesen Sparanstrengungen den Mut haben müssen, diese Geschenke wieder einzusammeln, bevor Sie sich an den Schwächsten vergreifen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie denn jetzt die angekündigte Zwischenfrage des Kollegen Fricke?

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Gerne.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Also, bitte schön.

Otto Fricke (FDP):
Herr Kollege Heil, erstens wollen Sie, dass wir das Gesetz zurücknehmen. Dann sollten Sie aber auch so ehrlich sein und der Öffentlichkeit sagen, dass Sie den Leuten mit der Zurücknahme des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes auch die Kindergelderhöhung wegnehmen wollen.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein!)

Wenn Sie das wollen, ist das in Ordnung. So weit zur Feststellung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Unruhe bei der SPD – Joachim Poß [SPD]: Er hat gesagt, die Hotelsteuer! Das ist peinlich!)

– Er hat gesagt, das Gesetz solle zurückgenommen werden. Damit müssen Sie leben. Er hat es gesagt.

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Nein!

Otto Fricke (FDP):
Zweitens. Herr Kollege Heil, Sie haben gerade gesagt, dass wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz den Rentnern etwas wegnehmen würden. Ich frage Sie in aller Ernsthaftigkeit: Bleiben Sie bei der Aussage, dass wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz den heutigen Rentnern Geld wegnehmen?

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Kollege Fricke, ich bin Ihnen für beide Fragen sehr dankbar. Wenn Sie das im Protokoll nachlesen sollten, werden Sie feststellen, dass ich mich auf die Teile Ihres sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes bezogen habe,

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das hat gut gewirkt!)

die Ihre Klientel bessergestellt haben.

(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Zum Beispiel Eltern mit Kindern! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das stärkt die Binnennachfrage!)

– Die Binnenkaufkraft wird nicht durch die Hoteliergeschenke gestärkt, die Sie gemacht haben. Das ist doch Quatsch mit Soße. Genau darauf habe ich mich bezogen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Fricke, Sie haben ein ohnehin sehr undurchsichtiges Ausnahmesystem bei der Mehrwertsteuer noch undurchsichtiger gemacht, das wir übrigens im Jahr 2002 gegen Ihren Widerstand versucht haben zu reformieren.

(Otto Fricke [FDP]: Sie meinen die von Ihnen eingeführten Skilifte!)

Ich sage noch einmal: Wir haben im Jahr 2002, als Hans Eichel Finanzminister war, Vorschläge gemacht, um diese undurchsichtigen und widersinnigen Dinge, die wir im Mehrwertsteuerrecht haben, zu beseitigen. Daraufhin haben Sie das Land mit populistischen Kampagnen überzogen.
Jetzt haben Sie diesen Zustand noch verschlimmert und Ihre Klientel bessergestellt. Ihr Herr Burgbacher im Bundeswirtschaftsministerium hat sich an dieser Stelle als Hotellobbyist betätigt. Das kostet die öffentliche Hand über 1 Milliarde Euro. Ich habe nichts anderes gesagt als: Wenn Sie sparen müssen – und der Staat muss sparen –, dann fangen Sie doch bei denen an, denen Sie es hinten reingesteckt haben, um es norddeutsch zu sagen, bevor Sie sich an den Schwächsten vergreifen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte meine Aussage aufrecht, dass die Art und Weise, wie Sie Zuschüsse für die Rentenversicherung kürzen, langfristig dazu führen wird – –

(Otto Fricke [FDP]: Stimmt nicht!)

– Ich sage Ihnen, Sie kürzen Zuschüsse an die Rentenkasse im Bereich des Arbeitslosengeldes. Am Ende des Tages wird das dazu führen, dass vermehrt Menschen in der Grundsicherung landen.

(Otto Fricke [FDP]: Aber kein heutiger Rentner!)

– Natürlich. Das trifft Menschen, die trotz Arbeitslosigkeit höhere Rentenversicherungsansprüche hätten, die Sie in die Grundsicherung jagen. Am Ende des Tages kippen Sie den Kommunen das Ganze vor die Tür. Das ist der Verschiebebahnhof auf der langen Strecke, und das ist auch Teil Ihres Pakets. Das werden Sie sich sagen lassen müssen. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nachhaltigkeit ist die Verbindung von wirtschaftlicher Vernunft, sozialem Fortschritt und ökologischen Notwendigkeiten. Wenn man sich dieses Paket anschaut, dann stellt man fest, dass es nicht im Sinne wirtschaftlicher Vernunft eines selbsttragenden langfristigen Aufschwungs ist, wenn Sie Investitionen in wichtigen Bereichen der Zukunft kürzen. Wenn man bei der energetischen Gebäudesanierung oder beim Marktanreizprogramm kürzt, wird das ökologische und ökonomische Folgen haben. Was Sie machen, ist nicht sozial gerecht. Lassen Sie sich das sagen.
Herr Michelbach, an dieser Stelle zitiere ich jemanden aus Ihren Reihen, und zwar Herrn Lauk. Das ist der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats. Dieser hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, eine Volkspartei wie CDU und CSU würde sich im Hinblick auf die Akzeptanz von Konsolidierungspolitik keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn man den Spitzensteuersatz anheben würde. Wie gesagt, Herr Lauk ist einer von Ihnen und unverdächtig, irgendein böser Sozialist zu sein. Das werden Sie bestätigen. Ich finde, dieser Mann hat vollkommen recht. Wir schlagen Ihnen vor, das gemeinsam miteinander hinzubekommen.
Ich bin der Meinung, dass der Spitzensteuersatz ruhig erst bei einem höheren Jahreseinkommen als 53 000 Euro greifen kann. Ein Lediger, der 53 000 Euro verdient, ist in diesem Land ein Gutverdiener, aber kein reicher Mensch.
Ich fände es aber im Sinne der Hygiene in unserem Land richtig, bevor man bei den Ärmsten der Armen kürzt, zunächst die Solidarität derjenigen in Anspruch zu nehmen, die gerne bereit sind, ihre patriotische Pflicht zu erfüllen und einen Beitrag zu einem gesunden Gemeinwesen zu leisten. Deshalb ist es nicht unanständig, sondern ein Gebot der Vernunft und der Fairness, dafür zu sorgen, dass auch Spitzenverdiener in diesem Land einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Kein Spitzenverdiener in diesem Land ist von den Maßnahmen betroffen, die Sie beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kein Spitzenverdiener leistet an dieser Stelle einen Beitrag. Herr Michelbach, was ist eigentlich Ihr Beitrag und mein persönlicher Beitrag zur Haushaltskonsolidierung? Diesen erkenne ich an dieser Stelle gar nicht. Sie kürzen das Elterngeld von Langzeitarbeitslosen und Alleinerziehenden, lassen es aber den Millionärsgattinnen. Auch das ist ein Beispiel von Schieflage.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte schön, Kollege Michelbach.

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Herr Kollege Heil, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass die oberen 50 Prozent der Steuerzahler in Deutschland 95 Prozent des Aufkommens der Einkommensteuer leisten?

(Zurufe von der LINKEN: Einkommensteuer!)

Warum wollen Sie die Leute, die durch einen höheren Spitzensteuersatz einen steileren Tarif bekommen würden und durch die Progression stärker belastet würden, noch zusätzlich über diese 95 Prozent hinaus zur Kasse bitten? Ist es nicht notwendig, dass die Leistung, die diese Leute für das Gemeinwohl und für die Sozialtransferleistungen erbringen, auch honoriert wird?

Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Herr Michelbach, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für diese Frage. Damit kann ich an dieser Stelle einiges aufklären. Ich habe vorhin gesagt: Wir sind nicht dafür, die Progressionskurve steiler zu machen. Wir können auch darüber reden, dass der Spitzensteuersatz nicht schon bei einem Einkommen in Höhe von 53 000 Euro greift; dann sollte er aber auch ein Stück höher sein. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir damit nicht dafür sorgen, dass die Progressionskurve für die mittleren Steuerzahler steiler wird.
In Ihrer Darstellung lassen Sie aber ein, zwei Dinge außer Betracht. Wenn Sie davon reden, dass die oberen 50 Prozent der Steuerzahler 95 Prozent der Steuerlasten tragen, unterschlagen Sie damit zugleich den Beitrag derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Sozialversicherungsleistungen und Abgaben für den Sozialstaat entrichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir den Blick nun auf das gesamte Steuer- und Abgabensystem richten, dann ergibt sich folgende Situation: Die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen leisten den wesentlichen Beitrag zur Finanzierung dieses Gemeinwesens, Spitzenverdiener einen zu geringen.

(Beifall des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In Zeiten der Haushaltskonsolidierung müssen die Lasten fair verteilt werden. Ja, es ist nicht so, dass man in solchen Zeiten nur Populäres fordern und durchsetzen kann. Wir haben unsere Erfahrungen damit gemacht. Es ist aber eine Frage von Fairness, auch diejenigen, die nicht überproportional belastet würden, wenn sie einen angemessenen Beitrag leisten müssten, stärker in die Verantwortung zu nehmen.
Ich will Ihnen sagen, warum ich das auch ökonomisch für richtig halte, Herr Kollege Michelbach. Wir können in diesem Land eine erfreuliche Entwicklung verzeichnen, weil wir einen exportgetriebenen Aufschwung haben. Wir haben in der Großen Koalition gemeinsam dafür gesorgt, dass Deutschland besser durch diese Finanzkrise gekommen ist, als es zu erwarten gewesen wäre. Jetzt wächst die Wirtschaft wieder. Das ist im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass wir stark im Export sind, dass wir, wenn Sie so wollen, starke Auswärtsspiele haben. Aber wir haben Probleme beim Heimspiel. Die Binnennachfrage ist zwar durch Kurzarbeit und viele andere Maßnahmen, die dafür gesorgt haben, dass Menschen nicht in Arbeitslosigkeit abgerutscht sind, recht stabil geblieben, aber sie liegt chronisch zu niedrig. Die Investitionen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft sind zu niedrig. Wir müssen also etwas für die Binnennachfrage in diesem Land tun. Das betrifft Kaufkraft, öffentliche und private Investitionen. An dieser Stelle ist es sinnvoller, eine Perspektive für die Entlastung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen zu schaffen als für die von Spitzenverdienern.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!)

Es ist ganz klar, Herr Michelbach, wen Sie an dieser Stelle im Blick haben:

(Joachim Poß [SPD]: Sich selbst!)

Sie glauben nicht, dass Normalverdiener Leistungsträger dieses Landes sind. Ihr Begriff von Leistungsträgern fängt wahrscheinlich erst bei Menschen an, die 80 000 oder 100 000 Euro verdienen. Das ist nicht die Mehrheit der Menschen in diesem Lande. Die Mehrheit der Menschen in diesem Lande verdient ein ganzes Stück weniger, ist aber durch Steuern und Abgaben stärker belastet als diejenigen, bei denen aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze die Belastung abgeriegelt wird und die derzeit keinen höheren Spitzensteuersatz zu zahlen haben. Das ist der Zusammenhang.
Deshalb noch einmal, Herr Michelbach: Wir können auflisten, wen Sie durch Ihre Maßnahmen belasten. Wir können aber auch auflisten, wen Sie nicht belasten.

(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])

Das weiß die deutsche Öffentlichkeit ganz genau, Herr Michelbach. Das ist möglicherweise auch ein Grund dafür, dass das Vertrauen in eine Volkspartei in Bayern, die das „S“ im Namen führt, nämlich CSU, und die früher stark war, schwindet; die Menschen spüren nämlich, dass sie nicht mehr Politik für die Mehrheit macht, sondern Politik für wenige zulasten der Mehrheit – ob in der Gesundheitspolitik, in der Energiepolitik, bei den Hotelsteuern oder anderswo.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist pure Demagogie, was Sie da betreiben! Das ist schäbig!)

Sie machen Politik gegen das Gemeinwohl. Das schadet dem Ansehen aller demokratischen Parteien, leider nicht nur den schwarz-gelben Koalitionsparteien.
Wir aber werden Alternativen auf den Tisch legen.

(Otto Fricke [FDP]: Das sehen wir an NRW!)

Konsolidierung geht gerechter, und Konsolidierung geht intelligenter, als es Schwarz-Gelb derzeit macht.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)