Rede von Hubertus Heil zum Wettbewerbsschutz


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Hubertus Heil, SPD-Fraktion.

Hubertus Heil (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kopp, eigentlich ist Ihr Antrag mehr als flüssig, nämlich überflüssig. Sie hätten durchaus die Gelegenheit gehabt, diesen Antrag im Rahmen der Debatte um die Novellierung des GWB, des Grundgesetzes der Marktwirtschaft, zu stellen. Sie hätten diesen Antrag in die morgige Debatte über das Energiewirtschaftsgesetz einbringen können. So aber vergeuden wir heute Abend unsere Zeit, weil wir uns mit Ihrem Antrag auseinander setzen müssen, einem Antrag, über den man bei allem Wohlwollen sagen muss, dass er nicht nur hochgradig widersprüchlich, sondern einfach nur unsinnig ist.

(Gudrun Kopp [FDP]: Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen nichts dazu einfällt!)

Ich möchte Ihnen die Widersprüche an der einen oder anderen Stelle darlegen. Ich bin froh, dass die Fernsehkameras nicht mehr zugeschaltet sind und die Leute sich diese Debatte nicht ansehen müssen. Aber wir müssen uns jetzt mit Ihrem Antrag auseinander setzen, der, wie gesagt, an einigen Stellen widersprüchlich ist. Vielleicht können wir die Gelegenheit zur gegenseitigen Aufklärung nutzen.
Wir haben in Deutschland eine Wettbewerbsordnung, die sich im internationalen Vergleich trotz mancher Probleme sehen lassen kann. Aus unserer Sicht kann von Zerfaserung keine Rede sein. Im Gegenteil: Wir haben eine Arbeitsteilung. Ich bin sehr stolz auf die Arbeit, die das Bundeskartellamt, die Monopolkommission und auch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post leisten. Diese Arbeit sollten wir nicht schlechtreden.
Ich möchte einmal erklären, warum es vernünftiger ist, eine Arbeitsteilung vorzunehmen, als die Arbeit in eine einzige Mammutbehörde zu schaufeln. Das Kartellamt hat nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Aufgabe, allgemeines Kartellrecht durchzusetzen. Die Monopolkommission hat den gesetzgeberischen Auftrag, eine regelmäßige Beurteilung von Unternehmenskonzentrationen vorzunehmen. Sie hat auch die Aufgabe, die Vorschriften im Bereich der Zusammenschlusskontrolle zu würdigen. Last, not least hat sie die Aufgabe, Stellungnahmen zu allgemeinen wettbewerbspolitischen Fragen abzugeben.
Warum, so fragen Sie, gibt es dann noch eine Regulierungsbehörde in diesem Bereich? Zugegebenermaßen ist die Bezeichnung „Regulierungsbehörde“ nicht sehr passend. Denn der Auftrag beinhaltet ja das Gegenteil. Deswegen werden wir morgen den Namen in „Netzagentur“ ändern. Damit soll etwas deutlicher werden, warum wir in diesen Bereichen eine sektorspezifische Regulierung brauchen, die Sie kritisieren.
Es handelt sich in diesem Bereich um netzgebundene Industrien, die auf dem Weg zur Liberalisierung sind. Zurzeit kann man von einem funktionierenden Wettbewerb noch nicht reden. Das betrifft die Telekommunikationsbranche, den Postbereich, die Bereiche Strom und Gas – entsprechende Regelungen werden morgen im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes verabschiedet werden – sowie den Bereich der Schiene.
Hier geht es nicht wie in anderen Sektoren um Wettbewerbsaufsicht, sondern hier geht es darum, durch Regulierung, vor allen Dingen durch eine Ex-ante-Regulierung, die morgen für den Bereich Strom und Gas beschlossen wird, Wettbewerb erst einmal herzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Gudrun Kopp [FDP]: Das ist doch in Ordnung!)

Ich glaube, dass diese Aufgabe bei der Regulierungsbehörde gut angesiedelt ist. Sie hat nämlich über die Jahre im Bereich Telekommunikation Kompetenz erworben. In diesem Bereich sind wir schon weiter als im Strom- und Gasbereich. Ich weiß nicht, warum es ein ordnungspolitischer Sündenfall sein soll, wenn Profis auch für den Bereich Gas und Strom sowie für den Bereich Schiene verantwortlich sind.
Der zweite Punkt, den Sie in Ihrem Antrag ansprechen, ist die Forderung nach einem europäischen Kartellamt. Wir finden diesen Vorschlag sehr sympathisch. Er wird auch von der Bundesregierung unterstützt. Sie wissen aber auch, dass wir uns mit dieser Forderung, die wir im Rahmen der Diskussion über die europäische Verfassung aufgestellt haben, nicht haben durchsetzen können. Deswegen schlagen wir vor – wir haben das im GWB gegen Stimmen aus Ihren Reihen beschlossen –, zumindest zu einer Koordinierung der europäischen Kartellbehörden zu kommen. Das wäre ein pragmatischer Schritt.

Ich würde gern noch etwas zu Ihrem Lieblingsthema, zum Thema der Einzelweisungen, sagen. Frau Kollegin Kopp, Ihr Antrag behauptet und Sie sagten es auch, wir hätten dieses Instrument im letzten Jahr in das TKG eingeführt. Das stimmt nicht. Sie haben es zusammen mit uns und der CDU bei der Reform des TKG 1996/97 eingeführt. Das wurde nicht von uns im vergangenen Jahr gemacht. Es geht auch nicht darum, dass wir in irgendeiner Form direkten politischen Einfluss auf die Regulierungsbehörde nehmen. Im Gegenteil: Das Telekommunikationsgesetz, das wir im letzten Jahr novelliert haben, sieht Transparenz vor. Es gibt eine Veröffentlichungspflicht für den Bereich der Weisungen, sofern sie das Außenverhältnis, also die Wirtschaft und die Unternehmen, betreffen. Deshalb ist meine herzliche Bitte, keinen Regentanz aufzuführen. Das immer wieder hochzuziehen, wenn Sie an dem Gesetz sonst nichts zu kritisieren haben, ist wirklich ein Popanz.
Wir Sozialdemokraten bekennen uns zum Wettbewerb als dem ordnungspolitischen Prinzip unserer Marktwirtschaft. Wir wissen, dass wir in diesem Bereich wachsam gegenüber Konzentrationsprozessen sein müssen. Wir wissen, dass viel zu tun ist, um in den netzgebundenen Industrien funktionsfähigen, nachhaltigen, wirksamen Wettbewerb einzuführen. Wir haben die Instrumente geschaffen. In diesem Bereich haben wir, wie gesagt, keine Zerfaserung, sondern eine Bündelung der Strukturen. Auch im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wirklich harte Arbeit leisten, bitte ich, das nicht kaputt zu reden.
Ich habe, nachdem ich, Frau Kollegin Kopp, den Antrag gelesen habe, noch eine darüber hinausgehende Bitte. Sie betrifft die Art der Auseinandersetzung. Wir können in der Sache ja in vielen Bereichen unterschiedlicher Meinung sein; deswegen sind wir in unterschiedlichen Fraktionen. Ihr Antrag – nicht Sie persönlich – schlägt manchmal einen Ton an, den ich für skandalisierend und in einer politischen Auseinandersetzung für nicht angemessen halte. Wenn man unterschiedlicher Meinung ist, kann man sich heftig streiten. Dafür bin ich gern zu haben. Es ist aber die Frage, ob man, wenn man anderer Meinung ist, alles skandalisieren muss. Denn tatsächliche Skandale sind vielleicht nicht mehr erkennbar, wenn man immer „Skandal“ ruft

(Zuruf von der FDP: Kann man bei Ihrer Regierung auch!)

und sozusagen alarmistisch den Untergang der Marktwirtschaft predigt. Ich finde, das ist nicht so sonderlich hilfreich und in jedem Fall der Sache nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das betrifft auch etwas, was in Ihrem Antrag gar keine Rolle spielt, was Sie aber in Ihrer Rede angesprochen haben, nämlich die Debatte um die Reform der Pressefusionskontrolle. Ich erspare mir und dem Kollegen Schauerte, mit dem ich mich verschiedentlich über das Thema ausgetauscht habe, mich darüber heute noch einmal in epischer Breite auszulassen. Aber so viel: Wir wollen Wettbewerb auch am Zeitungsmarkt; das ist gar keine Frage. Wir müssen uns aber gerade wegen der Meinungsvielfalt Gedanken darüber machen, ob Wettbewerb nicht eine wirtschaftliche Basis braucht und ob wir es nicht mit strukturellen Veränderungen am Zeitungsmarkt zu tun haben.

(Gudrun Kopp [FDP]: Konzentration!)

– Nein, es geht überhaupt nicht um Konzentration, es geht um Kooperation. So müssen wir zum Beispiel im Bereich der Anzeigen die Möglichkeit für Kooperationen schaffen. Wir wollen Meinungsvielfalt, aber Meinungsvielfalt darf sich nicht darauf beschränken, dass Zeitungen immer dünner und die Inhalte immer dümmer werden, weil nur noch Agenturmeldungen zusammengestückelt werden, für tatsächliche redaktionelle Arbeit aber keine wirtschaftliche Basis mehr vorhanden ist. Genau darum geht es aber, weil sich die Bedingungen des Zeitungsmarktes verändert haben. 1976, als das Pressefusionsrecht in der jetzigen Form geschaffen wurde, gab es noch kein Internet. Rubrikenanzeigen waren damals noch nicht in neue Medien migriert, weil es noch kein Privatfernsehen und keine SMS gab. Heute gibt es all diese Konkurrenz – mit dem Ergebnis, dass sich bei Zeitungen die Finanzierungsquote verschoben hat. Es ist nicht mehr so wie früher, dass sich Zeitungen zu zwei Dritteln aus Anzeigen und zu einem Drittel aus Vertriebserlösen finanzieren. Vielmehr lautet die Quote heute 50 : 50. Darauf ist, wenn einem an Meinungsvielfalt in Deutschland gelegen ist, zu reagieren. Wir haben Vorschläge gemacht, die der Bundestag beschlossen hat. Wir sind sehr gespannt, wie das im Bundesrat und im Vermittlungsverfahren, das wir bekommen werden, weitergehen wird. Keiner von uns hat in der ganzen Geschichte die Wahrheit gepachtet und jeder kann irren. Aber die Unterstellung, wir würden uns an der Pressefreiheit zu schaffen machen,

(Gudrun Kopp [FDP]: Ist ja auch so!)

ist, mit Verlaub, unter Demokraten ein ziemlich harter Vorwurf. Ich finde, Sie sollten das unterlassen.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, schöpfe ich meine Redezeit nicht aus. Ihr Antrag ist dünn und eigentlich auch widersprüchlich. Das habe ich, wie ich glaube, an ein paar Punkten sehr deutlich gemacht. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und ich wünsche uns, dass wir uns das nächste Mal die Zeit für ernsthaftere Debatten nehmen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Burgbacher [FDP]: Diese Arroganz ist zum Davonlaufen! Mein Gott!)