Rede von Hubertus Heil zu Wettbewerbsbeschränkungen


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hubertus Heil.

(Bernd Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Das können Sie doch gar nicht mehr herausreißen, Herr Kollege!)

Hubertus Heil (SPD):
In den mir zur Verfügung stehenden sechs Minuten Redezeit wird mir das leider nicht gelingen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Brüderle, ich glaube, Gustav Stresemann hat einmal gesagt, liberal zu sein heiße auf der Höhe der Zeit zu sein und danach zu handeln. Nach Ihrer Rede muss man sich ernsthaft fragen, ob Sie wirklich noch eine liberale Partei vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist, dass wir die Aufgabe der Wettbewerbspolitik darin sehen, im Interesse der Verbraucher sowie aller Unternehmen, unabhängig von Größe und Rechtsform, Märkte offen zu halten bzw. zu öffnen, wo dies erforderlich ist. Funktionierender Wettbewerb ist eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung unserer Volkswirtschaft. Der Schutz des Wettbewerbs ist eine zentrale ordnungspolitische Aufgabe unserer Marktwirtschaft. Das 1958 in Kraft getretene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen weist diese Aufgabe dem Bundeskartellamt und den Landeskartellbehörden zu.
Sie haben in der Debatte ein bisschen unterschlagen, dass wir heute trotz mancher Defizite alle miteinander feststellen können: Deutschland hat eine funktionierende Wettbewerbsordnung und eine funktionierende Wettbewerbsaufsicht. Das Bundeskartellamt in Deutschland leistet gute Arbeit. Ich nutze diese Gelegenheit, um an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskartellamts dafür Danke zu sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Aufgrund meiner beschränkten Redezeit will ich mich kurz auf den Bereich konzentrieren, der nicht mit Pressefusion zu tun hat, um danach die Zeit dafür zu nutzen, einiges von dem, was hier angesprochen wurde, aufzugreifen.
Es ist darauf hingewiesen worden, dass wir mit der siebten GWB-Novelle unser deutsches Wettbewerbsrecht an das europäische Recht anpassen. Es geht beispielsweise darum, dass wir zukünftig Unternehmen durch weniger Bürokratie entlasten, aber auch deren Eigenverantwortung stärken. In Zukunft müssen Unternehmen grundsätzlich selbst einschätzen, ob ihr Verhalten am Markt rechtskonform ist.
Auf der anderen Seite werden die Ermittlungs- und Sanktionsmöglichkeiten der Kartellbehörde gestärkt. Auch die Rechtsschutzmöglichkeiten Privater, also der Verbraucher, werden verbessert. Deshalb sieht der Entwurf eine stärkere Rolle der Verbraucherverbände vor. Dazu gehört auch, dass wir zukünftig „Kartellrenditen“ zugunsten des Bundeshaushaltes abschöpfen können. Dies gibt es beim UWG und ist mittlerweile auch im Telekommunikationsgesetz verankert. Dies wollen wir, wie gesagt, auch ins Kartellrecht aufnehmen.
Auf den einstweiligen Rechtsschutz – das hat der Minister bereits erläutert – werden wir in den Beratungen im Ausschuss und auch in der Anhörung eingehen. Ich will dazu nur so viel sagen: In der Hauptsache sind keine Rechte beschnitten. Diejenigen, die in ihren Rechten betroffen sind, haben weiterhin die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen. Aber wir wollen nicht, dass Unbeteiligte in diesem Bereich versuchen, sich ihr Klagerecht abkaufen zu lassen. Das ist in der Vergangenheit gang und gäbe gewesen, wenn Sie sich an die Entscheidung von vor zwei Jahren erinnern.
Jetzt zum Thema Pressefusionskontrolle. Wir wissen, dass dieser Bereich hochgradig sensibel ist. Keiner hier im Haus sollte dem anderen absprechen, dass es uns um ein gemeinsames Ziel geht, nämlich um Vielfalt bei der Presse. Herr Hinsken, auch Ihr Verweis auf die Pressebeteiligung der SPD ist nicht sachgerecht.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wieso nicht?)

Immerhin haben wir uns diese Beteiligung in der Geschichte unserer Partei, die auch die Geschichte der Arbeiterbewegung ist, ehrlich erworben. Nazis und Kommunisten haben uns enteignet. Dies wurde zu Recht rückgängig gemacht. Im Gegensatz zu dem, was Sie immer behaupten, nehmen wir keinen redaktionellen Einfluss auf die Presseorgane.

(Bernd Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Gibt es Beispiele dafür?)

– Dafür gibt es zig Beispiele. Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ gehört über den Madsack-Verlag teilweise der DDVG. Ich lese diese Zeitung jeden Tag, weil es meine Heimatzeitung ist. Sie können davon ausgehen, dass man sie weder als links noch als sozialdemokratisch bezeichnen kann. Das ärgert mich zwar hin und wieder, aber das ist vernünftig. Wir nehmen keinen inhaltlichen Einfluss. Sie sollten aufhören, das zu behaupten, sonst reden wir über Ihre schwarzen Koffer. Das ist nämlich Ihre Art der Parteienfinanzierung.

(Beifall bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Aber, Herr Heil! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Na! Na!)

– Wenn Sie mit solchen Geschützen aufwarten, müssen Sie damit rechnen, dass entsprechend zurückgeschossen wird.
Jetzt zur Sache. Ich will klar sagen: Wir sollten uns nicht gegenseitig absprechen, dass es uns allen um Pressevielfalt geht. Aber, Herr Hinsken, Herr Brüderle, es ist nicht so, dass die Pressefusionskontrolle nicht im Gesetz stehen würde, das heißt, dass es für diesen Bereich keine speziellen Regelungen im GWB gäbe. Diese gibt es seit 1976; davor gab es sie nicht.
Herr Brüderle, Sie haben verlangt, dass diese Branche wie jede andere behandelt werden müsse.

(Rainer Brüderle [FDP]: Grundsätzlich ja!)

Es gibt aus gutem Grund Spezialregelungen. Wir bekennen uns weiterhin zur Pressefusionskontrolle. Aber wir müssen fragen, ob sich seit 1976 am Pressemarkt nicht strukturell etwas geändert hat. Das veränderte Leserverhalten ist angesprochen worden. Die Tatsache, dass wir bei den Anzeigenmärkten eine härtere Konkurrenz gegenüber den elektronischen Medien haben, ist beschrieben worden. Die Stellenmärkte, die Rubriken der Kfz-Anzeigen oder auch der Immobilienanzeigen sind zum großen Teil in das Internet abgewandert. Das liegt auch daran, dass es dort Funktionen gibt, die man in der Zeitung nicht nutzen kann.
Das führt dazu, dass Verlagshäuser und Zeitungen in Deutschland zunehmend unter Druck geraten. Darauf ist zu reagieren. Wenn man nicht will, dass immer mehr in Redaktionen gespart wird, wie das heute der Fall ist, dass Redakteure entlassen werden und nur noch Halbtagskräfte oder Leute mit geringfügiger Beschäftigung eingestellt werden, dann muss man darüber reden, was man tun kann.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Großen größer und die Kleinen weg! So ist es doch!)

– Nein, darum geht es doch gar nicht. Versuchen Sie doch nicht, mir das weiszumachen! Hören Sie einfach zu! Ich habe Ihnen auch zuhören müssen. Es ist so in diesem Parlament, dass man das manchmal muss.
Herr Hinsken, ich will Ihnen das erklären. Es geht uns um Folgendes:

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Um was denn nun?)

Nach Ihrem Modell bestünde Wettbewerb in Deutschland darin, die Anzahl der Titel zu erhalten, aber in Kauf zu nehmen, dass im schlimmsten Falle jede dieser Redaktionen nur noch drei bis fünf Mitarbeiter hat,

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Quatsch!)

die nichts anderes tun, als Agenturmeldungen zusammenzuschnipseln. Dann steht in allen Zeitungen dasselbe. Diese Art von „Meinungsvielfalt“ bzw. Plattheit wollen wir nicht.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Er hat nicht zugehört!)

Wir wollen wirkliche Freiheit. Das heißt, etwas für die redaktionelle Stärke der Zeitungen in Deutschland zu tun.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sagen Sie das Werner Schulz!)

Ich biete Ihnen an, über die Instrumente, die dort im Einzelnen vorgeschlagen worden sind, zu diskutieren. Ich sage Ihnen aber auch: Wer glaubt, das Pressefusionsrecht so lassen zu können und damit Vielfalt zu erhalten, wird das Gegenteil erreichen. Sie werden erleben, dass das Zeitungssterben in Deutschland wieder losgeht. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen redaktionelle Unabhängigkeit sichern, wir wollen Kooperationsmodelle schaffen, in deren Rahmen man beispielsweise bei Anzeigen, vielleicht auch in anderen Bereichen stärker zusammenarbeiten kann. Das ist in vielen Bereichen schon heute so. Wir wollen das rechtlich klar und verbindlich im Sinne von Rechtssicherheit im Gesetz festlegen. Es geht darum, in diesem Bereich Luft zu schaffen.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Zum Koalitionspartner müssen Sie noch etwas sagen!)

Es geht darum, die wirtschaftliche Basis der Zeitungen in Deutschland zu stärken, um Vielfalt in diesem Bereich erhalten zu können.
Aufgrund der Kürze der Zeit zum Schluss noch so viel:

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Loben Sie doch auch Herrn Schulz!)

Es ist gesagt worden, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sei so etwas wie das Grundgesetz unserer Marktwirtschaft. Ich möchte deshalb der Opposition in unserem Hause anbieten – so wie es gute Übung ist –, am Ende zu einem parteiübergreifenden Konsens zu kommen.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Was passiert mit den Grünen? – Bernd Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Da müssen Sie mal mit Ihrem Koalitionspartner sprechen!)

Dann werden alle etwas nachgeben müssen. Ludwig Erhard hat einmal gesagt: Ein Kompromiss ist, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, dass er das größte Stück abbekommen hat. Wir sollten gemeinsam nach Wegen suchen, die helfen, die Wettbewerbsordnung im Interesse unseres Landes zu stärken, für das wir alle gemeinsam Verantwortung tragen.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Überzeugen Sie zunächst einmal Herrn Schulz!)

Dazu gehört auch eine lebendige Presselandschaft.
Die Unterstellung, dass wir Konzentrationen fördern wollen, ist falsch. Das Gegenteil ist richtig. Wir wollen auf Veränderungen reagieren, damit Vielfalt in Deutschland erhalten werden kann. Lassen Sie uns in diesem Sinne an die parlamentarische Arbeit gehen! Ich weiß, Herr Hinsken, dass es in Ihrer Fraktion auch andere Stimmen gibt. Mit denen wollen wir genauso reden wie mit Ihnen. Sie werden wir auch noch überzeugen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])